Am Schreibtisch und in der Wildnis

Margaret Atwood wird am Mittwoch 70 und schreibt unermüdlich.

Toronto. Mit einem Werk von mehr als 50 Büchern ist Margaret Atwood als Kanadas größte Gegenwartsautorin bekannt. Wer sie gelesen hat, weiß von ihrer Sorge um die Natur und die Zukunft der Menschheit.

Als Tochter eines Insektenforschers wuchs Margaret in der Wildnis auf. Noch heute verbringt sie jeden Sommer in einem Holzhaus mit Kanu vor der Tür, dafür ohne Strom und Wasser. Am Mittwoch feiert Atwood den 70. Geburtstag.

Ihre Romane, Short Stories, Gedichtbände, Theaterstücke, Hörspiele und Kinderbücher sind in 30 Sprachen übersetzt. Sie gilt seit langem als Anwärterin für den Nobelpreis in Literatur. Dabei sind ihre Szenarien düster, ist ihre Perspektive von der Welt beängstigend.

"Wir haben unseren Ökokredit überzogen", warnt sie. "Wir haben die Naturbank geplündert. Wir können die Natur nicht weiter in diesem Tempo vertilgen, ohne uns selbst und alles andere auf der Erde zu töten."

Neuerdings jedoch sieht sie Anzeichen für einen Bewusstseinswandel: "Die Ich-Ich-Ich-Ära, in der wir so lange lebten, ist erst einmal vorbei. Der Blick aufs Leben wird weniger materialistisch sein. Achten Sie mal darauf, es geht schon los."

Die Leidenschaft für das geschriebene Wort begründet Atwood damit, dass sie in ihren ersten Lebensjahren weder von Spielgefährten noch vom Fernsehen abgelenkt wurde. So habe sie früh lesen gelernt und sei bis heute "süchtig" nach Büchern. Eine Schule betrat sie erst mit zwölf Jahren. Noch heute sei sie eine Nomadin zwischen dem Stadtleben mit Opernbesuchen und Terminen als Ehrenpräsidentin des Internationalen Clubs für seltene Vögel auf der einen Seite und der Einsamkeit im Norden von Québéc auf der anderen.

In ihrem Zukunftsroman "Oryx und Crake" (2003) führt die Biotechnologie zum jähen Ende der Menschheit. Eine Epidemie vernichtet alle bis auf einen Mann und eine Handvoll gentechnologisch fabrizierter Menschlinge. In ihren ersten Romanen "The Edible Woman" ("Die essbare Frau") und "Surfacing" ("Der lange Traum") befasste sie sich mit dem Bild der Frau.

1973 erschien ihr erster satirischer Roman "Lady Oracle" (dt. 1984). Mit einem Werk auf den Spuren George Orwells überraschte Atwood ihre Leser Mitte der 1980er. "Der Report der Magd" (1987) beschreibt die Versklavung der Frau durch religiöse Fundamentalisten in den USA. Regisseur Volker Schlöndorff verfilmte den literarischen Stoff 1989 zusammen mit ihr: "Die Geschichte der Dienerin".

Seit den 90ern konzentrierte sie sich auf historische Geschichten. In "Alias Grace" berichtet sie über die schöne Magd Grace, die 1843 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Für ihren Gesellschaftsroman "Der blinde Mörder" erhielt sie den Booker-Preis, höchste Ehre für englischsprachige Literatur. 2008 wurde Atwood der mit 50.000 Dollar dotierte Prinz-von-Asturien-Preis für ihr Gesamtwerk verliehen und in diesem September der mit 15.000 Dollar versehene Nelly-Sachs-Preis.

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