„Endstation Sehnsucht“: Land unter in New Orleans

Im Düsseldorfer Schauspielhaus setzt Regisseur Stephan Rottkamp „Endstation Sehnsucht“ unter Wasser.

Düsseldorf. Es plätschert, es regnet, es gießt: Wie aus Kübeln läuft das Wasser durch die Zimmerdecke in diesen Raum, verwandelt den Boden in einen See und lässt die Schauspieler darin herumstaksen und -schliddern. Land unter in New Orleans. Kein unvertrautes Bild für die hurrikan-geplagte Metropole, möchte man meinen.

Stephan Rottkamp setzt seine Inszenierung von "Endstation Sehnsucht" unter Wasser: Untergangsszenario oder reinigende Katharsis? Der zunächst reizvolle Effekt schafft zusammen mit der grauen Bühne eine unterkühlte Atmosphäre, die letztlich nicht so recht passt zu diesem hochemotionalen Drama um Lebenslügen und geplatzte Träume.

Dass die Düsseldorfer Inszenierung nicht ins Wasser fällt, dafür sorgen die Schauspieler. Sie stürzen sich leidenschaftlich in die Rollen dieses unverwüstlichen Dramas von Tennessee Williams. In die graue Wohnung ohne Aussicht, in der selbst die Bilder an der Wand grau sind (Bühne: Robert Schweer), platzt Blanche (Janina Sachau). Wie ein bunter Paradiesvogel im kanariengelben Kleid bringt sie Farbe in das triste Dasein ihrer Schwester Stella (Tanja Schleiff), die dort mit dem groben Stanley (Wolfram Rupperti) lebt.

Selbstbewusst wirbelt Blanche das Leben der beiden durcheinander, obwohl ihre eigene Existenz gerade auseinandergefallen ist und sie sich neu sortieren muss. Sachau verkörpert temperamentvoll diese Gefangene ihrer Illusionen, die mal stark und überdreht, dann wieder ganz klein und verletzlich wirken kann.

In Stanleys Freund Mitch (Stefan Kaminsky) hofft sie auf einen Verehrer, der ihr eine neue Zukunft beschert. Das erste Date der beiden findet unter extrem kalten Licht statt, das die Unwirtlichkeit der Bühne noch betont. In dieser grauen Grotte mag kein Gefühl aufkommen.

Stanley wittert die Abgründe hinter der intakten Fassade von Blanche und beginnt zu graben, bis er ihre Vergangenheit als Ex-Lehrerin und Gelegenheitsprostituierte bloß gelegt hat. Rupperti entspricht fast schon etwas zu klischeehaft diesem Proleten. Mit Feinripp-Unterhemd und starker physischer Präsenz bricht er die labile Frau auf, die noch verzweifelt versucht, den letzten Rest Anstand und Würde in eine verkommene Welt zu retten.

Tanja Schleiffs zarte Stella wird dabei zwischen den Fronten zerrieben. Sie ist die eigentliche tragische Figur in diesem Spiel, die ihre Situation zunehmend verklärt. Die Szenen zwischen den beiden Schwestern, in denen große Nähe und emotionale Dichte entsteht, gehören zu den stärksten Momenten dieses Abends, der oftmals zu laut, zu deutlich den Sturm der Gefühle heraufbeschwört, wo ein paar Zwischentöne angebrachter gewesen wären.

"Ich will keine Realität, ich will Zauber", sagt Blanche am Ende. Mit rosa Kleidchen und Krönchen will sie Geburtstag feiern, doch die fröhliche Clownsmaske in ihrem Gesicht wird bald zu einer Fratze verwischt. Das Wasser tropft von ihren Haaren, ihrem Kleid und später auch aus ihrem Koffer, mit dem sie wieder abreist, diesmal in Richtung Nervenheilanstalt. Starker Applaus vor allem für die Darsteller.

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