Thrillerautor Jo Nesbø: „Ich habe kräftig ausgeteilt“

Der norwegische Thrillerautor Jo Nesbø über Waffen, seine Karrieren als Fußballer und Musiker sowie seinen neuen Roman.

Düsseldorf. Profifußballer, Popstar, Bestsellerautor: Jo Nesbö gelang in verschiedensten Disziplinen der Sprung an die Spitze. Mit mehr als 19 Millionen verkauften Büchern zählt der Norweger heute zu den erfolgreichsten Thrillerautoren. Darüber hinaus schreibt er Kinderbücher („Doktor Proktor“) und engagiert sich mit seiner Stiftung für Kinder in Indien. Am Montag erschien „Koma“, der zehnte Band seiner Serie um Ermittler Harry Hole.

Herr Nesbø, besitzen Sie eine Waffe?

Jo Nesbø: Nein. Ich bin nicht einer dieser Revolvertypen — obwohl ich über Waffen schreibe und auch selbst gerne mal geschossen habe.

Mit der russischen Odessa aus Ihrem neuen Thriller?

Nesbø: Eher mit einem Luftgewehr, wie früher als Jugendlicher. Auch beim Militär hat mir das Schießen durchaus Spaß gemacht. Allerdings habe ich nie auf Menschen gezielt, das war und ist nicht mein Ding.

Es heißt, Sie hätten als junger Mann gern mal zugeschlagen?

Nesbø: Es gab eine Zeit, da wurde ich ständig in Schlägereien verwickelt und habe auch selbst kräftig ausgeteilt. Aber das ist lange her. Heute bin ich ein absolut friedlicher Mensch.

Als Fußballprofi, Popstar und Bestsellerautor haben Sie es nach ganz oben geschafft — offenbar wollen Sie immer der Beste sein.

Nesbø: Da ist etwas dran. Ich mag den Wettbewerb und die Herausforderung. Sich anzustrengen, um etwas zu erreichen, gefällt mir. Allerdings ist jeder Wettbewerb nur ein Spiel für mich. Sich zu vergleichen ist wichtig, aber es ist auch okay, wenn das Ziel völlig unwichtig ist oder mal ein anderer besser war — vor allem unter guten Freunden.

Sie spielten für in der norwegischen ersten Liga Fußball. Warum haben Sie aufgehört?

Nesbø: Nach zwei Kreuzbandrissen musste ich Schluss machen.

Das war sicher bitter für Sie.

Nesbø: Ja und Nein. Denn eigentlich war es mein Glück. Diese Verletzungen haben mich davor bewahrt, später als Versager abtreten zu müssen.

Stattdessen wurden Sie Musiker und in Ihrer Heimat mit der Band Di Derre zum Popstar. Spielen Sie eigentlich noch Gitarre?

Nesbø: Ich war erst gestern im Studio. Ende des Jahres bringen meine Bandkollegen und ich ein neues Album mit alten Songs raus und nehmen dafür auch zwei neue Titel auf. Das wird aber die Ausnahme bleiben — ich spiele meistens nur noch privat und bin mit dem Schreiben voll ausgelastet.

Ihre Hauptfigur Harry Hole wurde in „Die Larve“ niedergeschossen und schien tot zu sein. Warum haben Sie die Serie nicht beendet?

Nesbø: Weil ich mit Harry noch viel mehr vorhatte. Schon beim Schreiben des dritten Harry-Romans entwarf ich eine Storyline für sein ganzes Leben. Und die ging nun einmal deutlich über den neunten Roman „Die Larve“ hinaus. Eigentlich habe ich „Die Larve“ und „Koma“ zusammen entwickelt. Aber dann stellte ich fest, dass ich zwei völlig verschiedene Geschichten erzähle, und beschloss, sie deutlicher voneinander zu trennen.

Das Ende von „Koma“ liest sich aber endgültig . . .

Nesbø: Stimmt. Dieses Buch könnte tatsächlich das letzte Buch für Harry sein. Koma wäre ein guter Abschluss der Serie.

Wäre oder ist?

Nesbø: Als ich das Buch fertig hatte, dachte ich: jetzt besteht die Möglichkeit, aufzuhören. Außerdem war ich total erschöpft vom Schreiben. Aber das bin ich jedes Mal, nachdem ich einen Roman beendet habe. Kaum vergehen ein paar Monate, habe ich doch Lust weiterzumachen. Insofern: warten wir mal ab, was passiert.

Wie stark ist Ihre Verbindung mit Harry Hole?

Nesbø: Anfangs dachte ich, wir beide wären vollkommen verschieden. Ich konnte auch nicht nachvollziehen, dass die meisten Autoren immer behaupten, sie würden letztlich über ihr eigenes Leben schreiben. Rückblickend habe ich aber festgestellt, dass Harry sich doch ähnlich entwickelt hat wie ich. Er ist zwar nicht mein Alter Ego, und wir sind auch völlig verschiedene Menschen, trotzdem ist viel von mir in Harry eingeflossen. Sagen wir mal, 70 Prozent. Das Beste von mir. Na ja, und auch die nicht ganz so guten Seiten.

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