Sprache: Rheinisch nur noch fürs Museum

Der Wissenschaftler Georg Cornelissen beklagt in seinem Buch „Meine Oma spricht noch Platt“ den Niedergang des Dialekts.

Krefeld. Schon Heinrich Heine ließ nicht den geringsten Zweifel daran, was er von Dialekten hält. "Jenes fatale Kauderwelsch", tobte der Dichter, sei ja in Düsseldorf noch einigermaßen erträglich, in Köln jedoch "wahrlich ekelhaft". Kölsch sei eine Mundart, die "wie faule Eyer klingt, fast riecht".

Heute könnte sich der gemeine Heine hämisch die Hände reiben: Knapp 200 Jahre nach seinen bösen Worten ist der Dialekt im Rheinland mausetot. Selbst jenes eklige Kölsch, durch Prunksitzungen und Wolfgang Niedecken bis heute ja irgendwie präsent, stirbt mit Sicherheit aus.

Sagt Georg Cornelissen, und der muss es wissen. Er ist Sprachforscher beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) und hat gestern in Krefeld sein neues Buch vorgestellt. Es heißt "Meine Oma spricht noch Platt" und betrauert auf fast 160 Seiten den Tod des Platt im Rheinland: Oma spricht es noch, Papa versteht es noch, nur dem Sohnemann könnte man genauso gut in Kisuaheli etwas vorerzählen.

Den Grund für das Aussterben der Mundart, das im 19. Jahrhundert begann, benennt Cornelissen erfrischend klar: Die Dialektsprecher waren es irgendwann Leid, ständig ausgelacht zu werden. "Sprachscham", heißt der Fachausdruck. Wer auf "Platt vertellte", wurde als Angehöriger der Unterschicht gebrandmarkt und nicht nur von großen deutschen Dichtern gemieden, sondern eben auch vom Nachbarn. So lernt man schnell Hochdeutsch.

Heute obliegt es vor allem Mundartgruppen, in meist humoristischen Beiträgen an ihren lokalen Dialekt zu erinnern. "Die Leute lachen, weil sie im Grunde traurig sind", glaubt Cornelissen.

Wenn es danach geht, weint Krefeld besonders heftig, denn die Vorstellungen im dortigen Mundart-Theater der "Krieewelschen Pappköpp" sind immer ausverkauft. In dieser Enklave des Platt stellte der Autor sein Buch vor und traf den Nerv der Anwesenden. "Unser Platt ist nur noch Museumssprache", weiß "Pappkopp" Manfred Coelen. "Der Niedergang der Mundart ist nicht aufzuhalten." Das ahnte schon Coelens Oma, die dem Opa verbat, die Kinder mit Platt zu verderben: "Vadder, nu’ sprech anständig mit die Jungens!"

Georg Cornelissen: "Meine Oma spricht noch Platt"; Greven-Verlag Köln, 157 S., 9,90 Euro

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