Philip Roth: Endlich beschwerdefrei

Einsamkeit und Gebrechen plagen die alternden Helden in Philip Roths Romanen. Der Autor selbst lebt zu seinem 80. sichtlich auf.

New York. Das Alter scheint Philip Roth gut zu tun. Ein Leben lang schrieb der amerikanische Romancier über seine quälenden Ängste. Viele Jahre verbrachte er allein mit seiner Schreibmaschine in einem Waldhaus. Jetzt hat Roth die Schriftstellerei an den Nagel gehängt.

Für die TV-Dokumentation „Philip Roth, ohne Beschwerden“ bei Arte ließ er sich entspannt, in Socken, in seiner New Yorker Wohnung ablichten. Sogar zum Feiern ist der „neue“ Roth bereit. Seine Heimatstadt Newark hat für Dienstag Gäste aus aller Welt geladen, um den berühmten Sohn an dessen 80. Geburtstag zu würdigen. Und Roth, der nach Möglichkeit alles Aufsehen um sich meidet, macht mit.

Newark ist nur durch den Hudson von New York getrennt. Zwischen der verkommenen Industriestadt und dem Alltag im brodelnden Manhattan liegen Welten. Roth wurde von jüdischen Immigranten unter einfachsten Verhältnissen im Arbeiterviertel von Newark aufgezogen.

Er griff die Diskrepanz seiner Herkunft zum Leben jenseits des Flusses schon im ersten Buch auf. „Goodbye, Columbus“ ist ein süffisantes Porträt der amerikanisch-jüdischen Gesellschaft. 1960 brachte es dem damals gerade 26-Jährigen einen der höchsten Literaturpreise der USA ein.

31 Bücher hat er seitdem herausgegeben, oft eins pro Jahr. „Portnoys Beschwerden“ verhalf ihm 1969 zu Weltruhm. Der provokative Roman, von Kritikern bejubelt und zerrissen, hat die Beichte eines sexbesessenen jüdischen Intellektuellen auf der Couch eines Psychoanalytikers zum Inhalt.

Wie schon „Goodbye, Columbus“ spielen viele von Roths Romanen, Erzählungen und Essays im Newark seiner Jugendzeit. Die Stadt bietet inzwischen Bustouren an, die literarisch bewanderte Gäste an jene Orte führen, über die sie bei ihm gelesen haben. Roths Geschichten sind aus autobiografischem und fiktivem Garn gewebt. Sie sind oft herrlich amüsant, sarkastisch, gleichzeitig voller Melancholie. Die „New York Times“ bescheinigte dem Schriftsteller schon früh die Fähigkeit, „eine unerschöpfliche Bitterkeit in Kunst verwandeln zu können“.

Ob Roths derzeit letztes Buch „Nemesis“ (2011, kl. Foto) tatsächlich der Schlusspunkt eines über fünfzigjährigen literarischen Schaffens bleibt, ist abzuwarten. Nach seiner Ankündigung, die Feder für immer niederzulegen, sagte Roth der „New York Times“, er sei glücklich, endlich Zeit zum Lesen zu haben. Und dann doch wieder ganz der alte Roth: „Schreiben ist Frustration, tägliche Frustration, von der Demütigung mal ganz abzusehen.“

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