Paul Auster: Jeder ist sein eigener Autor

Paul Austers neuer Roman erscheint am Freitag in Deutschland. Er fragt, wie viel man erfinden muss, um die Wahrheit zu sagen.

Düsseldorf. Um Wahrheit und Fiktion dreht sich Paul Austers neues Buch "Unsichtbar". Schon wieder, möchte man sagen. Aber sein 13. Roman ist anders. Auster besinnt sich auf seine Qualitäten als Geschichtenerzähler und entfaltet seine Story zunächst ganz konventionell und stringent, ohne surreale Vexierspiele, ohne versteckte Labyrinthe. Erst im Laufe des Romans offenbart sich dessen komplexe Struktur, die dann doch wieder lauter Fragen aufwirft und das Schreiben als kreativen Prozess reflektiert.

"Unsichtbar" beginnt als eine Erzählung aus dem Jahr 1967. Adam Walker, Student und Lyriker, erinnert sich als Ich-Erzähler an eine Begegnung, die sein Leben verändern wird: mit den Franzosen Rudolf Born und Margot in New York.

Denn nicht nur möchte Born, Gastprofessor an der Columbia University, den jungen Adam mit einem eigenen Literaturmagazin unterstützen. Gleichzeitig entwickelt sich eine unheilvolle Dreiecksbeziehung. Ein Überfall mit tödlichem Ausgang beendet diese Liaison und stürzt Adam in Gewissenskonflikte.

Im zweiten Teil des Romans kommt 40 Jahre später ein anderer Ich-Erzähler zu Wort: Jim, ehemaliger Studienkollege von Adam und selbst Schriftsteller.

Der todkranke Adam hat ihm seine Memoiren aus dem Jahr 1967 zur Begutachtung geschickt. Im zweiten Teil von Austers Roman erfährt man - in der ungewöhnlichen zweiten Person geschrieben -, wie es weiterging mit Adam, wie er sich mit seiner Schwester eine Wohnung teilt, wie er für ein Studienjahr nach Paris reist und dort wieder auf Born trifft, an dem er sich rächen will.

So spinnt sich die spannende Geschichte fort, die nur auf den ersten Blick simpel und fast etwas altmodisch erscheint, der man aber nie so recht trauen kann. Denn: "Damit wir die Wahrheit sagen können, werden wir sie als erfundene Geschichte darstellen müssen", heißt es einmal.

Welche Teile von Adams dämonischer Story sind wahr, welche erfunden? Jim recherchiert weiter und stößt auf Cécile, eine Jugendfreundin von Adam, die ihm nun ihre Tagebuchaufzeichnungen zur Verfügung stellt. So bestreitet ein weiterer Ich-Erzähler den dritten Teil von Austers faszinierendem Roman.

Es geht um Beziehungen und Fragen der Identität, um dunkle Geheimnisse und Spionage, um verbotene Liebe, Schicksal und Zufall, um Lüge und Wahrheit und darum, wie Erinnerung funktioniert. Ist Adam wirklich Adam oder nur eine Romanfigur, die Adam heißt?

Letztlich stellt Auster philosophische Fragen, die er - wie so oft - nicht beantwortet. Doch kopflastig ist sein Roman deshalb noch lange nicht. "Unsichtbar" zeigt, dass die Wahrheit häufig im Verborgenen liegt - und macht darüber hinaus einfach Spaß zu lesen.

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