Oliver Mittelbach: Lügendetektor für Literatur

Oliver Mittelbach hat Bücher zu den Orten aus „Das Parfüm“, „Sakrileg“ und „Illuminati“, geschrieben – und Fehler aufgedeckt.

Düsseldorf. Der Mann, der Weltautoren entlarvt, sitzt an seinem Wohnzimmertisch in Oberkassel und rührt schmunzelnd in seiner Kaffeetasse. "Als ich anfing mit meinen Recherchen", sagt er, "habe ich nicht gedacht, dass Dan Brown für seine Bestseller so schlampig gearbeitet hat." Die Zeilen in "Illuminati", "Sakrileg" und "Diabolus" gingen nur so über vor verdrehten Tatsachen, die Romanfiguren wandelten auf Wegen, die es gar nicht gebe und fänden Spuren, wo überhaupt nichts zu finden sei. "Bei Süskind ist das anders. Er hat für ,Das Parfüm’ sehr ordentlich recherchiert", sagt Oliver Mittelbach.

Er weiß, wie schwer das ist. Zwei Reiseführer hat er an den Schauplätzen der Romane aufgezogen. "Ich habe Brown gelesen und mich dafür interessiert, wie es an den Orten tatsächlich aussieht. Das könnte auch andere interessieren, dachte ich, und wendete mich an einen Verlag."

Daran, dass "Dan Browns Thriller-Schauplätze als Reiseziel" 12 000 mal in den deutschen Handel gehen würde, dachte der heute 40-Jährige nicht, als er in seiner Hochparterre-Wohnung in Oberkassel saß, Reiseführer wälzte, das Internet durchstöberte, Landkarten und Stadtpläne blätterte. Dass sein Buch schließlich auch noch in zehn Sprachen übersetzt werden und eine Zeitschrift ihn für eine Aktion als Fremdenführer nach Paris holen würde, war nicht einmal sein Traum, als er sich mit einem Budget von wenigen hundert Euro auf den Weg nach London, Paris, Rom und Sevilla machte. Drei Monate klinkte er sich dafür aus seinem Marketing-Büro aus. Die Bezahlung in dieser Zeit: Befriedigung des Entdeckerdrangs.

"Dan Brown hat in Paris wahnsinnig geschlampt", sagt Mittelbach wissend. "Wenn man vom Ritz zum Louvre fährt, kommt man gar nicht an der Oper vorbei." Und die Tuilerie-Gärten könne "Sakrileg"-Held Robert Langdon auf dieser Strecke auch nicht durchqueren: Sie lägen ganz woanders und seien mit dem Wagen unpassierbar.

Mittelbach haut mit weiteren Beispielen für Nachlässigkeit im "Sakrileg" um sich: An der Londoner Westminster Abbey wüchsen keine Apfelbäume, im Louvre könne keiner ein Stück Seife mit Peilsender aus dem Fenster werfen - es gebe auf der Toilette kein Fenster und außerdem nur Flüssigseife. Zudem werde die Statue einer Taube, die in "Illuminati" mit dem Schnabel zum nächsten Hinweis deutet, in Wirklichkeit oft gereinigt und dann in beliebiger Position wieder auf den Sockel geschraubt. "Dichterische Freiheit ist das Eine. Aber manche Abweichungen von der Realität ergeben einfach keinen Sinn für die Handlung."

Bei seiner Recherche für die Orte in "Das Parfüm" habe er gemerkt, dass es auch anders gehe: "Süskind muss sich intensiv mit dem alten Paris auseinandergesetzt, Landschaften studiert und sich über Parfümherstellung informiert haben." So gebe es den Plomb du Cantal, auf dem sich Romanfigur Grenouille sieben Jahre versteckt hält, wirklich. In seinem Reiseführer erwähnt Mittelbach den Berg aber mit dem ehrlichen Hinweis: langweilig.

"Ich will nicht auf den Romanen herum prügeln, es sind eben Romane", sagt Mittelbach. Seine beiden Reiseführer seien eine kleine Zugabe für jemanden, der - wie er selbst - die Bücher oder die Filme liebe und mehr wissen wolle. "Viele Schauplätze sind vielleicht nicht ganz so mystisch wie im Roman, aber sie haben eine Menge zu bieten."

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