Neues Buch von Götz Aly: Euthanasie in der NS-Zeit

Das neue Werk des Historikers Götz Aly beschäftigt sich mit einem düsteren Stück deutscher Geschichte: Euthanasie.

Berlin. „Gestern sind wieder die Autos da gewesen und vor acht Tagen auch, sie haben wieder viele geholt. Es wurde uns so schwer, dass wir alle weinten.“ Diese Zeilen schrieb ein verzweifelter Pflegling der Heilanstalt Stetten an seine Schwester. Tags zuvor waren erneut die grauen Busse in der Anstalt aufgetaucht. Patienten wurden zusammengetrieben und in die Busse verfrachtet. Die meisten ahnten, wohin die Reise ging. Es kam zu verzweifelten Auftritten. Eine junge Frau schlug die Arme in die Höhe und rief: „Ich will nicht sterben.“

Solche Szenen spielten sich in den Jahren 1940 und 1941 überall in deutschen Heil- und Pflegeanstalten ab. 200 000 geistig und körperlich schwer Behinderte, aber auch angeblich „Gemeingefährliche“ oder sogenannte Asoziale wurden von den Nazis ermordet. Die meisten von ihnen sind heute vergessen und totgeschwiegen, oft auch von ihren Familien. Der Historiker Götz Aly („Warum die Juden? Warum die Deutschen?“) gibt diesen Menschen nun in seinem Buch „Die Belasteten“ eine Stimme.

Seit 30 Jahren forscht Aly über Euthanasie, angeregt auch durch persönliche Betroffenheit: Seine Tochter ist seit einer Gehirnhautentzündung schwer behindert. Aly kritisiert die „verklemmte Diskretion“, mit der bis heute in Büchern und auf Denkmälern die Namen der Ermordeten schamhaft abgekürzt werden: „Es ist an der Zeit, die Ermordeten namentlich zu ehren und ihre Lebensdaten in einer allgemein zugänglichen Datenbank zu nennen.“ Entsprechend enthält sein Buch nicht nur die Namen und Lebensdaten vieler Opfer, sondern auch persönliche Briefe und Aussagen von Patienten und Angehörigen.

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