Negerlein haben keinen Platz im Kinderbuch

Verleger streichen heikle Begriffe. Aber müssen Klassiker für Kinder politisch korrekt sein?

Stuttgart. Otfried Preußlers „Kleine Hexe“ begegnet auf Seite 86 zwei „Negerlein“, einem „Menschenfresser“ und einem „Hottentottenhäuptling“ — sie alle sind bei der dörflichen Fastnacht versammelt.

Als erwachsener Leser stutzt man bei diesen Bezeichnungen, die alles andere als politisch korrekt sind. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat angekündigt, dass sie beim Vorlesen für ihre kleine Tochter solche problematischen Passagen entschärfen will.

Verlage fühlen sich zunehmend verpflichtet, Kinderbuch-Klassiker entsprechend zu überarbeiten — damit Kinder die Bücher besser verstehen, wie sie sagen. Um das Werk von einer Generation zur nächsten zu transportieren, müsse es sprachlich angepasst werden. Das gelte auch für heikle Bezeichnungen wie Neger.

Anlass für die sprachliche Politur ist die Neuauflage von drei Preußler-Klassikern zum bevorstehenden 90. Geburtstag des Autors. Ein Vater hatte sich beklagt, dass seine dunkelhäutige Tochter einen so beleidigenden Begriff in einem ihrer Lieblingsbücher lesen müsse.

Die Familie Preußler stimmte daraufhin erstmals Änderungen zu. Verleger Klaus Willberg vom Stuttgarter Thienemann-Verlag hat selbst eine farbige Adoptivtochter: „Deshalb bin ich da schon etwas sensibel.“

Als die Änderung angekündigt wurde, brach jedoch ein Sturm der Entrüstung los. In rund 200 E-Mails sei der Verlag zum Teil wüst beschimpft worden. Zustimmungen habe es nur zwei gegeben. „Wir stehen aber dazu.“

Bereits 2009 hatte der Hamburger Oetinger-Verlag aus Pippi Langstrumpfs Vater einen „Südseekönig“ statt eines „Negerkönigs“ gemacht und das Wort „Zigeuner“ gestrichen — mit Zustimmung der Erben Astrid Lindgrens. In der schwedischen Ausgabe steht noch der ursprüngliche Begriff.

Beim Esslinger Verlag wurde bei „Lurchi“ aus einem „Negerlein“ ein „Schornsteinfegerlein“, so Sprecherin Anna Köhr. Der Verlag cbj in München bearbeitet die „Fünf Freunde“ von Enid Blyton nach „strengen Regeln“, sagt die Sprecherin Renate Grubert.

Aus den frühen Werken, die noch von Blyton selbst verfasst wurden, habe man vor allem die „Schwarze Pädagogik“ verbannt: „Ohrfeigen und Prügel sollten Kindern heute fremd sein. Sie sollen wissen, dass sie sich dagegen unbedingt wehren dürfen.“

„Es ist eine Gratwanderung“, sagt Stephanie Jentgens, Vorsitzende des Arbeitskreises für Jugendliteratur. Wenn die Geschichte nicht verändert werde, könne man umstrittene Begriffe natürlich streichen. Aber man müsse die Werke in ihrem historischen Kontext betrachten. „Ein Wort wie Schuhwichse zeigt einfach, dass die Geschichte in einer anderen Zeit spielt.“

Bücher wie „Die kleine Hexe“ und „Pippi Langstrumpf“ seien insgesamt eher emanzipatorisch und nicht rassistisch. Ihr komme es übertrieben vor, wenn da an einzelnen Wörtern gefeilt werde. „Wörter, über die Kinder stolpern, sind ein guter Anlass, um darüber zu sprechen.“

Die Sensibilität für politische Korrektheit sei in Deutschland deutlich größer als etwa in Frankreich. „Aber wir haben natürlich auch eine andere Geschichte und eine besondere Verantwortung.“

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