Matthias Brandt: Mit „Raumpatrouille“ durch die Kindheit

Berlin (dpa) - Matthias ist Grundschüler, spielt gern Fußball oder mit dem Hund im Garten. Er kurvt mit dem Rad durch die Gegend, klettert auf Bäume, experimentiert mit dem Meerschweinchen oder träumt sich in die Welt seiner Helden aus dem Fernsehen.

Matthias Brandt: Mit „Raumpatrouille“ durch die Kindheit
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Sein Berufswunsch: Briefträger. Oder Astronaut.

Tatsächlich ist Matthias Brandt Schauspieler geworden. Man kennt ihn unter anderem als feinsinnigen TV-Kommissar Hanns von Meuffels aus dem „Polizeiruf 110“. Doch nicht nur der Umstand, ein beliebtes Fernsehgesicht zu sein, hat ihn prominent werden lassen, sondern auch sein biografischer Hintergrund: Er ist der jüngste Sohn von Ex-Bundeskanzler Willy Brandt (1913-1992) und dessen Gattin Rut (1920-2006). Was bedeutete das für den Jungen? Mit dem Abstand von mehr als vier Jahrzehnten durchstreift der 54-Jährige in seinem literarischen Debüt „Raumpatrouille“ seine Kindheit und frühe Jugend.

Wer jetzt ein Enthüllungsbuch erwartet, wird enttäuscht sein. Vielmehr schreibt Brandt junior - nicht selten mit sanfter Selbstironie - über die kleinen Dinge: über sein Großwerden Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre, eine mondlandungsbegeisterte Zeit, an die viele seiner Altersgenossen streckenweise ähnliche Erinnerungen haben dürften. Allerdings: Wer wuchs schon bewacht von Leibwächtern in der großen Kanzlervilla auf dem Bonner Venusberg auf? Wer trank schon als Dreikäsehoch mit dem zweiten Staatsoberhaupt der BRD, Heinrich Lübke (1894-1972), Kakao und stierte mit ihm gemeinsam schweigend aus dem Fenster? Und wer musste sich schon von nervigen Boulevard-Fotografen zusammen mit den Eltern auf einer Kirmes als Vorzeige-Familie in Szene setzen lassen?

Von einigen der in dem schmalen Büchlein versammelten Erinnerungen an seine Kindertage hat Matthias Brandt bereits in Presse-Interviews und Dokumentationen berichtet, und auch dass das Verhältnis zu seinem (aus beruflichen Gründen oft abwesenden) Vater „nicht gerade innig war“, wie er 2009 beispielsweise „Spiegel Online“ sagte, ist kein Geheimnis. Er habe das zwar „nie als Mangel empfunden“, es erklärt möglicherweise jedoch, warum von Willy Brandt auf den 176 Seiten nur selten die Rede ist. Seine Mutter indes scheint sein Fixstern, seine Bezugsperson Nummer eins, gewesen zu sein. Sie ist es, die ihm den nötigen seelischen Proviant fürs Leben mitgegeben, ihm offenbar bedingungslose Liebe entgegenbracht hat. Ihr widmet er mehr Platz als seinem alten Herrn.

„Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt. Manches von dem, was ich erlebt habe, hat stattgefunden“, stellt Brandt etwas kryptisch den 14 Geschichten voran. Ob wahr oder teilweise erfunden, er versteht sich auf jeden Fall darauf, bildhaft und gut nachvollziehbar über seine Erlebnisse von früher zu berichten - reflektiert, doch ohne dabei zu psychologisieren.

Am Ende kommt Matthias seinem unnahbaren Vater dann doch einmal ganz nah. Der große Staatsmann erfüllt seinem kleinen Jungen den schüchtern vorgetragenen Wunsch, ihm vorzulesen. Wie versöhnlich. Da kann einem ja ganz warm ums Herz werden.

- Matthias Brandt: Raumpatrouille, Kiepenheuer & Witsch, 176 Seiten, 18 Euro, ISBN: 978-3-46204-5673.

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