Leben mit einem Egoisten

T.C. Boyle blickt in seinem neuen Roman auf das Liebesleben von Architekt Frank Lloyd Wright.

Köln. T. C. Boyle ist ein großartiger Unterhalter. In gelbem Sakko und roten Turnschuhen sitzt der 60-Jährige spitzbübisch der etwas angestrengten Moderatorin gegenüber - und bringt sie aus der Fassung. "Ich treffe nach der Lesung ohnehin alle beim Signieren. Jetzt antworte ich nur mit Ja und Nein." Der Autor hat die Lacher auf seiner Seite. Seine Show beendet die diesjährige Lit.Cologne im ausverkauften Theater am Tanzbrunnen.

Überhaupt redet er viel lieber von "Frau Boyle" - über seine wahre Liebe seit der High-School. "Ich bin ihr Sklave. Sie liegt auf dem Sofa, lutscht Bonbons, und ich massiere ihr die Füße." Dass dieses Sofa in einem Haus steht, das der Architekt Frank Lloyd Wright vor genau hundert Jahren in Kalifornien entworfen und gebaut hat, ist scheinbar nur Nebensache.

Boyle ist ganz nebenbei mitten drin im Thema seines neuen Romans "Die Frauen": Die Geliebten und Gattinnen des Künstlers Wright interessieren ihn mehr als die viel gerühmten Bauwerke. "Es sind schon mehr als tausend Bücher über Wrights Biographie geschrieben worden. Ich wollte sehen, wie es sich anfühlt mit diesem Ego-Maniac zu leben."

Dabei bedient er sich der Figur eines Schülers. Der Japaner Tadashi kommt 1932 nach Wisconsin, um von dem Meister zu lernen. Als alter Mann schreibt Tadashi nun über "Wrieto-San", die Lieben und Leiden, wie er sie erinnert, interpretiert und gehört hat. Sein Co-Autor ist ein Amerikaner mit irischen Wurzeln und der Ehemann seiner Enkelin - was die Sache nicht einfacher macht. In Fußnoten kommentiert der Ich-Erzähler die Schwierigkeiten.

Viel einfacher ist die Story: Angefangen mit Wrights letzter Ehefrau Ogilvanna, einer Tänzerin aus Montenegro, gibt Boyle den drei Ehefrauen und einer Geliebten chronologisch zurückschreitend auf 560 Seiten Raum, ihre Leidenschaft zu diesem Mann zu entwickeln, sich von ihm beherrschen und betrügen zu lassen. Wie etwa die Morphinistin Miriam: Eine vor sich hin dilettierende Künstlerin, die neben ihm groß sein wollte.

Doch Größe konnte der Workaholic Wright, der jeden künstlichen Rausch verabscheute und die Natur vergötterte, neben sich nicht ertragen. Wie seine Bauten und Kunstwerke, die Lampen, Möbel und sogar die Kleider seiner Frauen, entwarf er auch für seine Begleiterinnen, seine Seelenverwandten ein Leben. Verfolgt von Klatschpresse, Justiz und Gläubigern balancierte er arrogant und niemals nachgebend durch die Jahrzehnte.

Etwas einfach macht es sich Boyle mit dieser sich zu sehr wiederholenden Beschreibung von Wrights Umgang mit den Frauen. Zwar gelingt es dem Autor gewohnt virtuos, mit vielen süffigen Details vor allem seine weiblichen Figuren zum Leben zu erwecken.

Zudem zeichnet er die moralischen und gesetzlichen Verhältnisse der Zeit nach. Doch sein Ziel, die Faszination an diesem Mann Frank Lloyd Wright zu spüren, erreicht er nicht. Schon zweimal hat sich Boyle auf diese Weise amerikanischen Egomanen des 20. Jahrhunderts genähert: dem Cornflakes-Erfinder Kellogg ("Willkommen in Wellville", 1993) und dem Sexualforscher Kinsey ("Dr. Sex", 2005). Im Gesamtwerk des Autors zählen sie alle drei nicht zu den stärksten seiner zwölf Romane.

Sorge, muss man sich um Boyle und seinen Erfolg aber sicher nicht machen. Leser und Zuhörer lieben seine selbstironischen Kommentare über sich und "Frau Boyle" ebenso wie seine Geschichten. Und dass es weitergeht, kündigt er in Köln an. Sein neuer Roman werde sich um die ökologische Erneuerung in Kalifornien drehen. "Das klingt vielleicht nicht so spannend. Aber ich verspreche, es wird gemein und schmutzig."

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