Kleine Buchläden trotzen der Internet-Übermacht

Berlin/Leipzig (dpa) - „Wohlstand ohne Wachstum“, „Wir haben es satt“ und „Wie man die Welt verändert“.

Die Titel der Werke im Schaufenster der „Buchkönigin“ in Berlin-Neukölln könnten auch die Maximen der beiden Betreiberinnen des Ladens sein. Während die großen Filialisten ihr Netz ausdünnen und der Internet-Versandhändler Amazon viele Buchkäufer anzieht, halten Nina Wehner und Hannah Wiesehöfer weiter am klassischen Konzept fest: Sie verkaufen Bücher in einem kleinen Geschäft - und haben ein Stammpublikum. „Im Buchhandel wird man nicht reich. Aber es läuft ganz gut“, sagt Wiesehöfer.

Die Buchläden bundesweit verbuchten nach Angaben des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels 2012 ein Umsatz-Minus von 3,7 Prozent. Seit Jahren gehen die Umsätze zurück, aber: „Zuversichtlich stimmt mich, dass es im Buchhandel neben Geschäftsaufgaben auch innovative Neugründungen gibt, insbesondere in Großstädten wie in Berlin und Köln“, sagt der Vorsteher des Börsenvereins, Gottfried Honnefelder. Aber auch traditionelle Buchläden halten sich durchaus neben dem quietschbunten Angebot der großen Filialisten und dem Internet.

Die letzte kleine Buchhandlung in Neukölln habe vor 15 Jahren dicht gemacht, berichtet Wiesehöfer. Seit 2010 gibt es nun die „Buchkönigin“. „Oh - mutig!“ - das hätten damals so einige Leute gesagt. Die beiden Betreiberinnen setzen auf das Kiez-Bewusstsein in Berlin. Ihr Laden ist eingerichtet wie ein Wohnzimmer. Eine Kundin holt ein Paket ab, das Wiesehöfer für sie entgegengenommen hat. Ein anderer Kunde unterhält sich lange mit der Buchhändlerin über dies und das. In den Regalen stehen auch Werke von Künstlern benachbarter Ateliers.

Auch um die Brunnenstraße im hippen Berlin-Mitte gab es schon seit Jahren keinen Buchladen mehr. Dann eröffnete im vergangenen Jahr „Ocelot, not just another bookstore“ - direkt neben einer großen Bibliothek. „Es ist sicher sehr risikoreich. Aber man muss dem allgemein beschworenen Niedergang etwas entgegensetzen“, sagt Betreiber Frithjof Klepp. Er hat zuvor in verschiedenen Läden gearbeitet und einige Jahre lang eine Internet-Buchhandlung betrieben.

Ein Jahr lang habe er sich auf die Gründung vorbereitet, berichtet Klepp. Sein Laden wirkt sehr modern, aber dennoch gemütlich. Es gibt etwa Hesse, Kafka, riesige Kunstbücher, ausgewählte Schallplatten, schöne Schreibwaren - und ein kleines Café. „Ich bin davon überzeugt, dass immer noch Menschen lokal vor Ort Bücher kaufen wollen. Viele sind erfreut, dass es hier jetzt wieder eine Buchhandlung gibt.“ Schwarze Zahlen schreibt der gelernte Buchhändler noch nicht.

Dass auch ganz traditionelle Buchläden nach wie vor eine Chance haben, beweist Dagmar Köpf in Markkleeberg, einer Kleinstadt südlich von Leipzig. Ihr 70-Quadratmeter-Laden ist mit Büchern vollgestopft bis unter die Decke. „Aber ich führe nicht das allgemein übliche Sortiment, sondern treffe eine ganz individuelle Auswahl abseits der Bestsellerlisten“, sagt die ehemalige Lehrerin. In 15 Jahren habe sie sich so eine feste Kundenklientel aufgebaut. „Literarisch sehr interessierte Kunden“ seien das.

„Werbung mache ich überhaupt nicht. Ich bin der Meinung, man muss mich finden“, erzählt Köpf. Den Internethandel sieht sie nicht als Bedrohung. Ihr Geschäft laufe davon unbeeinflusst. „Rockefeller werde ich nicht mit dieser Art des Buchhandels. Aber ich habe eine stabile Größe erreicht“, sagt sie.

Im Gegensatz zu den großen Filialisten hätten es die kleinen Buchhandlungen leichter, ein auf ihr Umfeld und ihre Kunden maßgeschneidertes Konzept zu entwickeln, sagt Honnefelder. Aber: „Es kann keine Standardrezepte geben.“ Wichtig sei aber auf jeden Fall Beratungskompetenz - also tiefes Wissen und ein Überblick über das Buchgeschehen.

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