Kinderliteratur: Lies mal wieder!

Ob der Nachwuchs Lesen als Lust oder Last empfindet, hängt wesentlich von den Vorbildern ab. Wer erfahren hat, wie aufregend Bücher sein können, bleibt ihnen treu.

<strong>Düsseldorf. Sybil Schlepegrell, bekannt geworden als Gräfin Schönfeldt, erinnert sich noch lebhaft an die Jurysitzung für den Deutschen Jugendbuchpreis 1969. Da war Astrid Lindgrens "Karlsson vom Dach" nominiert, aber "der war den meisten Juroren zu wild und pädagogisch fragwürdig".

Leidenschaftlich hat sie für den kleinen Mann mit dem Propeller auf dem Rücken gekämpft, aber gewonnen hat "ein zahmes, politisch korrektes Buch" - über eine Dorfgemeinschaft, die ein Storchenpaar schützen will.

Schlepegrell, heute 80 Jahre alt, war immer eine der Kinderbuch-Fachfrauen in Deutschland, die auf die paradoxe Situation der Kinder- und Jugendliteratur hingewiesen haben: Die Kaufentscheidung treffen die Eltern - und die entscheiden meist danach, was vermeintlich wertvoll ist für das Kind. Aber was wollen Kinder wirklich lesen?

Während Stefanie Leo das sagt, sitzen vier ihrer Rezensenten an ihrem Tisch und hören neugierig zu. Es sind allesamt Leseratten, die sich für buecherkinder.de kistenweise Futter mit nach Hause nehmen. "Seit wir hier die Neuerscheinungen besprechen, lese ich Bücher zu ganz vielen unterschiedlichen Themen", sagt die 13-jährige Xueqian Chen. "Vorher war ich nur auf Fantasy fixiert." Ganz toll fand die Schülerin zuletzt "Und meine Welt steht Kopf" oder "Bis zum Morgengrauen".

Die "Bücherkinder" Robert, Jennifer, Xueqian und Anna hatten das Glück, dass ihnen vorgelesen wurde, nicht zuletzt auch die Klassiker: Astrid Lindgren, Michael Ende, Otfried Preußler und Erich Kästner. Von allein hätten sie solche Bücher wohl nicht entdeckt.

"In unserer Stadtbibliothek werden Klassiker auch selten von Kindern geliehen", weiß Stefanie Leo. "Das machen meist die Eltern. Ich habe meinen Söhnen kürzlich den ‚Michel aus Lönneberga’ vorgelesen. Da sitzen alle mit offenem Mund vor mir."

Dass es in vielen Elternhäusern aber gar keine Bücher gibt, weiß auch Kinderbuchexpertin Schlepegrell: "Das ist ja der Jammer: Kinder können sich mit vielen anderen Dingen amüsieren, ohne Bücher zu vermissen." Denn den Zauber des Lesens und Vorlesens haben sie noch gar nicht entdeckt.

Da ist es für manche Eltern schon ein Segen, wenn die Kinder über den Film zum Buch kommen. "Die Wilden Kerle", "Harry Potter", "Pippi Langstrumpf" oder "Das doppelte Lottchen" - einige Kinder denken, dass die Bücher dazu auf den Filmen basieren.

Wenn sie aber einmal mit Lillebror gebangt haben, dass Mama den Karlsson erwischt, der das Chaos im Kinderzimmer angerichtet hat, wenn sie mit Momo gegen die grauen Herren kämpfen, mit Peterchen zum Mond fahren oder erleben, wie Pünktchen und Anton sich gegenseitig helfen - dann wird schon das kindliche Leben ein bisschen tiefer und aufregender.

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