Hermann Löns: Ein Zerrissener zwischen Mief und Moderne

Walsrode (dpa) - Hermann Löns - ach ja, der Heidedichter. Ein wenig aus der Mode gekommen ist der oft kritisierte Schriftsteller. Doch viele Facetten seines Charakters machen ihn zu einer faszinierenden Persönlichkeit.

Hermann Löns: Ein Zerrissener zwischen Mief und Moderne
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So war der vor 150 Jahren geborene Löns nicht nur Autor, Journalist und Jäger, sondern auch Naturschützer, Gesellschaftskritiker, Alkoholiker und Frauenheld.

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„Löns flüchtete vor den Anforderungen der Moderne in Naturidyll, Gewalt und Geschichte.“ So beschreibt Löns-Kenner Thomas Dupke den oft nur als Reaktionär verschrieenen Autor. „Löns war innerlich zerrissen mit Wahnvorstellungen und Gewaltfantasien“, meint der Germanist und Historiker. „Modern ist auch die Spannung zwischen Stadt und Land.“

Im westpreußischen Kulm - heute Chelmno in Polen - am 29. August 1866 geboren, wird Löns nach abgebrochenem Medizinstudium 1891 Journalist. Lange hält es den Rastlosen nie, Unpünktlichkeit und Alkoholkonsum stoßen seine Umgebung ab. Doch dann erscheinen seine Jagdgeschichten, Löns wird immer erfolgreicher. „Schließlich war wohl die Jagd meine Rettung“, schreibt er. Der leidenschaftliche Jäger wird zu einem der ersten Naturschützer. „Urmensch will ich sein in der Urnatur“, heißt es, „herrliche Flucht aus dem verachteten Jetzt.“

Löns wird Bestsellerautor, seine Gedichte werden massenhaft vertont, so auch „Auf der Lüneburger Heide“. Das meistverkaufte Buch aber bleibt „Der Wehrwolf“ von 1910, ein blutiges Epos um wehrhafte Bauern im Dreißigjährigen Krieg. Nach 1933 vereinnahmen die Nazis Löns als „Blut-und-Boden-Dichter“ für ihre Ideologie. So sollte der Wehrwolf-Roman gegen Kriegsende als propagandistische Wunderwaffe neue Kräfte freisetzen, schrieb Dupke schon 1994 in seinem Löns-Buch „Mythos und Wirklichkeit“, das sich wie wohl keines zuvor den dunklen Seiten von Löns widmete - die Anhänger reagierten damals entsetzt.

Doch bekannt blieb Löns mit seinen Texten über die Lüneburger Heide, keineswegs reine Natur, sondern von Menschen geformte Kulturlandschaft. Bis in die 1950er bieten sie Stoff für höchst erfolgreiche Heimatfilme, und noch heute tragen bundesweit hunderte Straßen und viele Schulen seinen Namen. Walsrode nennt sich bis heute „Hermann-Löns-Stadt“.

Auch mehr als einhundert Jahre nach seinem Tod auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs kann Löns faszinieren, meint der Autor Heinrich Thies, der sich intensiv mit Löns beschäftigt hat. In seiner im vergangenen Februar erschienen Romanbiografie „Mein Herz gib wieder her“ geht es auch um Lisa Löns, die zweite Frau des Dichters - Autorin, Frauenrechtlerin und Pazifistin.

„Löns ist eine total zerrissene Persönlichkeit, das macht ihn für mich sehr interessant“, sagt Thies, wie Löns lange Journalist in Hannover. „Bei all seinen Schattenseiten muss man Löns differenziert betrachten“, betont er. „Löns war eben nicht nur Kitschautor, Rassist und ein Alkoholiker mit psychischen Problemen, sondern auch durchaus ein brillanter Journalist, ein begnadeter Naturschilderer und ein Jagdpoet, der seine Waidgenossen nicht geschont hat.“

Bei Kriegsausbruch 1914 ist Löns bereits 48, doch er meldet sich als Freiwilliger und kommt in Frankreich an die Front. „Lisa Löns spricht nach meiner Meinung zu Recht von einem 'dekorativen Selbstmord'“, sagt Thies. Löns sei nach der dramatischen Trennung des Paares 1911 zu einem gebrochenen und depressiven Mann geworden. „Ich glaube, es war die Sehnsucht nach dem Kampf“, meint dagegen Dupke.

Doch das erst 1986 vollständig veröffentlichte Kriegstagebuch schildert keineswegs heroischen Schlachtentod, sondern die grausame Realität des Krieges. „Denke an die Leichen, an den erschossenen Spion“, schreibt Löns, das millionenfache Sterben hat erst begonnen. „Leben ist Sterben, Werden, Verderben.“ Nur zwei Tage später fällt Löns am 26. September 1914 in Loivre bei Reims.

Zwanzig Jahre später werden seine sterblichen Überreste gefunden - oder das, was dafür gehalten wird. Hitler ordnet zunächst ein Staatsbegräbnis an, doch schließlich werden die Gebeine 1935 mit militärischen Ehren bei Walsrode in der Erde versenkt.

Für Dupke und Thies ist es mehr als unwahrscheinlich, dass im Tietlinger Wacholderhain tatsächlich die sterblichen Überreste von Löns ruhen. Doch der Ort ist noch immer ein beliebtes Ziel der Anhänger des Heidedichters. „Hier ruht Hermann Löns“ steht auf dem Stein, ein kleiner Strauß mit blauen Blumen liegt an diesem Sommertag darauf. Drum herum Heidelandschaft wie aus dem Bilderbuch, mit Wacholderbüschen und Birken.

„Die Texte von Löns stehen auch heute für die Suche nach dem Naturidyll und der heilen Welt in einer von Krisen erschütterten Zeit“, sagt Dupke. „Er bleibt ein großartiger Naturbeobachter“, meint Thies.

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