Elke Heidenreich: „Die Musik rettet uns“

Elke Heidenreich gibt Literatur heraus, die sich ausschließlich mit Oper oder Konzert befasst. Die Reihe vereint Lese- und Musiklust.

Frau Heidenreich, weshalb befassen sich so viele Schriftsteller mit musikalischen Themen?

Heidenreich: Dieses Phänomen gibt es seit einigen Jahren. Der Schriftsteller Helmut Krausser hat einen wunderbaren Roman über Puccini geschrieben, "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini", Hanns-Josef Ortheil einen tollen Don Giovanni-Roman, Lea Singer "Konzert für die linke Hand", Richard Powers "Der Klang der Zeit". Immer wieder hat es solche Bücher gegeben.

Heidenreich: Ich will Bücher herausgeben, die sich gezielt mit dem Thema Musik oder Musiker beschäftigen. Allerdings keine Musikwissenschaft, sondern ein Spektrum von Sachbüchern - wir haben den Nachlass von Edward Said gekauft, der mit Barenboim das West-Eastern-Divan-Orchestra gegründet hat - und Essays wie die von Hans Neuenfels bis hin zu Romanen. In der nächsten Staffel erscheint einer der Amerikanerin Barbara Hall über das tragische Leben einer Geigerin.

Heidenreich: Dem Mann, der eine so schöne Musik macht, dass er seine Geliebte aus der Unterwelt wiederholen darf! Aber er traut seiner eigenen Kunst nicht, dreht sich um, und die Geliebte ist für immer verloren. Eine tolle Geschichte! Wir dürfen uns nicht umdrehen, nicht alles zerlegen. Wir müssen Musik auf uns wirken lassen. Neuenfels ist ganz nah an diesem Mythos: Lasst uns der Musik vertrauen, mit Haut und Haaren, sie rettet uns!

Heidenreich: Ich liebe an diesem Buch die witzige Oberfläche und den ernsten Grund: Warte nicht mit deinen Träumen, bis du sterben musst! Musik kann weder Krebs noch Liebeskummer heilen, aber hätten wir diese Flucht in die Kunst, die Musik, die Literatur nicht, wären wir noch ärmer dran. Diese Dinge sind in der Lage, uns zu trösten, uns Kraft zu geben, uns abzulenken. Und darin wächst wieder neue Kraft, es auszuhalten.

Heidenreich: Jetzt könnte ich einfach ja sagen, weil ich das wirklich glaube. Aber so einfach ist es nicht. Im Fall dieses Orchesters aber ganz sicher, denn da spielen Musiker zusammen, deren Länder sich bekriegen: Palästinenser und Israelis. Als Musiker muss man aufeinander hören. Wenn man aufeinander hört, redet man irgendwann miteinander.

Heidenreich: Ich lese, schreibe und grüble, manchmal verhärtet man dabei, weil es zuviel ist. Die Musik löst das alles. Die Oper öffnet einfach alles, was an mir betoniert ist. Herzenstüren, die zugegangen sind, gehen mit der Oper wieder auf - das ist einfach so.

Heidenreich: Man kann natürlich nie, wenn man über Musik liest, diese Musik empfinden. Musik hören, kann kein Buch erklären. Musik erreicht unser Gefühl, Literatur unseren Verstand, und beides zusammen ist ein großes Geschenk.

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