Christian Krachts „Imperium“: Nackt der Kokosnuss huldigen

Dem Roman wird Rassismus vorgeworfen.

Berlin. Es ist also ein Aussteigerroman geworden. In seinem am Donnerstag erscheinenden Buch „Imperium“ (Kiepenheuer & Witsch) schickt Christian Kracht einen esoterischen Eiferer in die Südsee, der dort ein vegetarisch-nudistisches Weltreich gründen will. Krachts vierter Roman ist sein ausgereiftestes Werk, zugleich eckt der Schweizer Schriftsteller damit aber auch an.

Per Schiff ist der Nürnberger August Engelhardt zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem Weg nach Deutsch-Neuguinea (heute: Papua-Neuguinea). Der Mittzwanziger will Land kaufen, um nackt Sonne und Kokosnuss huldigen zu können. Denn mehr brauche der Mensch für seine Erleuchtung nicht, so Engelhardts Religion des Kokovorismus.

Krachts neuer Held ist ein Aussteiger und Verlorener in der deutschen Kolonialzeit — und historisch verbürgt. Tatsächlich rief Engelhardt 1902 auf der Insel Kabakon im Bismarck-Archipel seinen Sonnenorden aus.

Selten hat man den 45-jährigen Kracht so humorgeladen und fabulierfröhlich erlebt wie in diesem Abenteuerroman. Seit seinem Debüt „Faserland“ 1995 zählt Kracht zu den wichtigen deutschsprachigen Literaten. Er wird oft als ein Gründer der Popliteratur bezeichnet, sieht sich selbst aber nicht so.

Der historische Engelhardt starb 1919 vereinsamt auf seinem Eiland. Kracht lässt ihn Jahrzehnte länger leben. Allerdings ruiniert der alleinige Verzehr von Kokosnüssen zunehmend Gesundheit und Verstand. Schließlich verfällt er einem kruden Antisemitismus, mit dem er seine Misere zu rechtfertigen versucht. Wieder einmal zeigt der Autor sein Interesse an Grenzgängern, die an ihren Überzeugungen und der Wahrheitssuche scheitern.

Häufig schiebt der Erzähler im Buch Kommentare ein, stellt geschwind auch mal eine Verbindung zwischen dem Kokovoren und dem Vegetarier Adolf Hitler her. An anderer Stelle heißt es, es habe doch lange so ausgesehen, „als würde das 20. Jahrhundert das Jahrhundert der Deutschen“.

Mit solchen Bemerkungen erntete Kracht schon vor der Veröffentlichung heftige Kritik. Im „Spiegel“ heißt es, der Roman sei von rassistischer Weltsicht durchdrungen, der Autor sei „Türsteher der rechten Gedanken“. KiWi-Verleger Helge Malchow wies dies entschieden zurück.

Schon 2007 hatte die „Süddeutsche Zeitung“ Kracht vorgeworfen, er stöbere bedenklich nah am rechten Rand herum. Anlass war ein Interview mit dem US-Komponisten David Woodard, in dem beide laut über den Wiederaufbau der deutsch-nationalen Siedlung Nueva Germania in Paraguay als „arisches Zentrum“ nachdachten.

Kracht äußert sich dazu nicht.

Christian Kracht: „Imperium“; Kiepenheuer & Witsch, 256 S., 18,99 Euro.

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