Buchhandlung feiert Geburtstag: Radikale Entscheidung für eine Lebensform

Literatur: Die Buchhandlung Müller & Böhm wird 20 Jahre und blickt auf 650 Autoren zurück.

Düsseldorf. Der Juni ist für Selinde Böhm und Rudolf Müller schlicht der Jubiläums-Wonnemonat: Es war ein 3. Juni, als sie sich kennen lernten, es war der 3. Juni 1989, als ihre Buchhandlung, damals an der Düsseldorfer Neustraße, die Pforten öffnete. Am nächsten 3.Juni soll das gefeiert werden, zumal sie bis dahin dann - man lasse sich die Zahl auf der Zunge zergehen - 650 Autoren begrüßten. Als der niederländische Buchhändler-Verband einmal die Schriftsteller zu einem Ranking ihrer Lieblings-Buchhandlung aufrief, da erkor kein Geringerer als Cees Nooteboom seine Düsseldorfer Freunde. Die Gründe legte er in einem originellen Büchlein dar.

Viele derer, die heute die Stars der Feuilletons sind, erlebten bei Müller & Böhm ihren ersten Auftritt. Es kamen so berühmte Autoren wie Thomas Kling und Edmond Jabès, Friederike Mayröcker/Ernst Jandl und Mircea Dinescu, Agota Kristof und Claudio Magris, der spätere Heine-Preisträger W.G. Sebald (1993), Jannis Kounellis und Inger Christensen, Oswald Egger und Raoul Schrott,Per Olov Enquist und Lars Gustafsson - kurzum, das literarische Europa und die Welt gaben und geben sich hier ein Stelldichein. Und die Autoren wissen, was sie wollen: Martin Walser etwa erklärte einmal, er wolle eine Lesung in Düsseldorf, "aber nur bei Müller & Böhm". Die mussten ins Schauspielhaus ausweichen. Ausverkauft.

Doch wie wurden sie, was sie sind? Selinde Böhm studierte zunächst Germanistik und Philosophie und promovierte mit einer Arbeit über das handverlesen-edle Thema "Das stille Verlangen nach Unendlichkeit." Der Vater hätte sie ja lieber als beamtete Lehrerin gesehen. Dann traf sie Rudolf Müller. Der sich anfangs als Zweigstellenleiter einer Bank sah. Aber es kam anders.

Müller studierte in Köln Kunst und jobbte nebenher in der Kunstbuchhandlung Walther König. Noch vor dem Abitur interessierte ihn Belletristik wenig. Doch ein neuer Lehrer änderte das. "Plötzlich habe ich nächtelang nur noch gelesen", erinnert er sich. In Düsseldorf fiel ihm auf: "Die Belletristik war ein Vakuum." Es wurde sein Lebensthema.

"Wir machen das, was uns überzeugt", sagt Müller. "Es ist unser Leben, ein schönes und selbstbestimmtes", ergänzt Böhm. "Natürlich sitzen wir nicht verklärt hier und frönen unserer Leidenschaft. Wir leben vom Bücher-Verkauf, er dient buchstäblich unserem Lebensunterhalt." "Aber", beharrt Müller, "verkaufen ist auch verteilen". "Wir haben uns dennoch nicht für eine Arbeit entschieden, sondern für eine Lebensform." Wie man das Noble mit dem Notwendigen verbindet, das belegten exemplarisch schon Goethes Auflagenpolitik und Dürers Verfielfältigungstechnik mit Kupferstich und Holzschnitt.

"Die Pseudo-Dialektik des Entweder - Oder ist falsch", ist Müller überzeugt. "Es kann nur heißen Sowohl - Als auch." Das mag theoretisch stimmen, nicht aber für die Programmatik dieses Hauses. Wo das Credo lautet: "Was wir verkaufen, erfordert den Käufer", ist die Wahl des Entlegenen und Erlesenen, der kostbaren Trouvaille ein Bekenntnis zum Risiko. Standing ovations!

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