Autor Akhanli wird aus Untersuchungshaft entlassen

Istanbul (dpa) - Ein Istanbuler Gericht hat den wegen Raubes und Totschlags angeklagten Kölner Autor Dogan Akhanli vier Monate nach seiner Festnahme aus der Untersuchungshaft entlassen.

Ein dringender Tatverdacht gegen den türkischstämmigen Schriftsteller liege nicht mehr vor, entschied das Gericht am ersten Tag der Verhandlung.

Mehrere Zeugen sagten am Mittwoch aus, die Polizei habe auf belastende Aussagen gegen den Angeklagten gedrängt oder diese sogar unter Folter erpresst. Akhanli war auch beschuldigt worden, Mitglied einer linksextremistischen Gruppe gewesen zu sein. Der Prozess soll am 9. März fortgesetzt werden.

„Ich werte die Entscheidung des Gerichts positiv“, sagte Akhanlis Kölner Anwalt Ilias Uyar nach der Verhandlung. „Aber wir haben einen Freispruch gefordert. Nun wird das Verfahren bei der Fortsetzung im Sand verlaufen“, sagte er. Autoren und Künstler haben in den vergangenen Wochen massiv gegen das Verfahren protestiert, das ihrer Ansicht nach politisch motiviert ist.

Der Autor wurde zunächst wieder ins Gefängnis gebracht. Seine Anwälte vermuten, dass er wahrscheinlich am Donnerstag aus der Untersuchungshaft freikommt.

Akhanlis Verteidiger hatten zum Prozessauftakt alle Vorwürfe zurückgewiesen. Dem Schriftsteller wird vorgeworfen, vor 21 Jahren an einem Raubüberfall auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Der Besitzer war damals getötet worden. Angehörige des Opfers erklärten, sie hätten Akhanli damals nicht auf Bildern identifiziert, obwohl die Polizei dies in ihren Akten so vermerkt hatte. Der Sohn Akhanlis erklärte zudem, ihm sei bei der Identifizierung ein Bild vorgelegt worden, das später in den Akten durch ein anderes ersetzt worden sei.

Zahlreiche Beobachter verfolgen den Prozess. Zu einer Delegation von Autoren und Politikern aus Deutschland zählt auch der Schriftsteller Günter Wallraff. Er forderte die Freilassung Akhanlis. Wallraff sagte vor der Verhandlung, die unter Folter erpressten Zeugenaussagen seien widerrufen worden. „Wenn die Rechtstaatlichkeit berücksichtigt wird, muss er freikommen“, sagte Wallraff. „Er ist ein Kollege, der unschuldig inhaftiert ist.“

Der Autor lebt seit seiner politisch motivierten Flucht aus der Türkei im Jahr 1991 in Deutschland. Er hat nur die deutsche Staatsbürgerschaft.

Seine Anwälte haben erklärt, die Beschuldigungen gegen den politisch missliebigen Autor seien konstruiert und unter Folter erpresst worden. Der 1957 in der Türkei geborene Schriftsteller war am 10. August an einem Flughafen in Istanbul festgenommen worden. Er wollte in die Türkei einreisen, um seinen todkranken Vater zu treffen, der Ende November starb.

Nach dem türkischen Militärputsch 1980 war Akhanli in den Untergrund gegangen. Er wurde als Mitglied der kommunistischen TDKP gesucht und 1984 verhaftet. Von 1985 bis 1987 war er in Istanbul in einem Militärgefängnis inhaftiert. In dieser Zeit wurde er auch gefoltert, wie er berichtet hat.

Akhanli ist Mitarbeiter des Vereins „recherche international“, der sich mit der Aufarbeitung der im vergangenen Jahrhundert begangenen Völkermorde befasst und auch die Verbrechen an den Armeniern immer wieder zum Thema gemacht hat. Der Autor hatte sich im Buch „Die Richter des jüngsten Gerichts“ selbst mit der Verfolgung der Armenier befasst.

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