Bildhauer lassen sich über die Schulter schauen

Die Ausstellung in Düsseldorf zeigt das Entwickeln skulpturaler Formen.

Bildhauer lassen sich über die Schulter schauen
Foto: Mike Bruce

Düsseldorf. Tony Cragg ist kein Rektor mehr an der Düsseldorfer Kunstakademie, aber seine Anregungen dauern fort. Auf die große Bildhauerausstellung im K 20 lässt er nun eine Schau über Bildhauerzeichnungen in der Akademie-Galerie folgen. „Auf der Spur der Erfindung“ heißt sie. Werke von 20 Künstlern sind zu sehen, die die Skulptur im 20. Jahrhundert beeinflusst haben, von Beuys bis Kricke. Die letzte Wand in der Akademie-Galerie hat Cragg, der am Freitag zum Ehrenbürger der Stadt Wuppertal ernannt wurde, für sich reserviert. Hier beweist er, wie ein dreidimensional denkender Künstler aus einem banalen Gegenstand ein weit in den Raum greifendes Werk schaffen kann.

Sein Kollege Richard Deacon liebt die Konstruktion, die für die Werkstätten bestimmt ist. Seine Skulptur für den Voltaplatz in Krefeld ist ein frühes Beispiel eines Künstlers, der penibel denkt, genau seine Angaben skizziert und die Ausführung den Fachleuten überlässt.

Der Kunsthistoriker Siegfried Gohr, der die Akademie-Galerie leitet, findet gravierende Unterschiede zwischen einer Bildhauerzeichnung und einer Malerzeichnung. Bildhauer würden eher abstrahieren, für sie spiele das „Umreißen von einem Etwas“ eine große Rolle. Das heißt im Klartext, so eine Zeichnung ist weder glamourös noch geschwätzig. Demgegenüber liebe der Maler, so Gohr, eher Effekte, Gebärden oder Situationen.

Ein wunderbares Blatt stammt von Henry Moore aus dem Jahr 1933. Es zeigt eine „Liegende“ als Sinnbild des Archaischen. Ihre Vitalität und Energie zeigt sich schon in der kraftvollen Graphitzeichnung, die am Vorabend des Zweiten Weltkriegs fast gespenstisch wirkt. Die Wucht der dreidimensionalen Masse, die in seinen Plastiken vorherrscht, kommt schon in der Zeichnung zum Ausdruck.

Eine Ausnahme-Erscheinung ist Fritz Schwegler (79). Ihn interessieren weder Umrisse noch Flächen, sondern Geschichten. Er trennt nicht zwischen Schreiben, Zeichnen, Grafik und Skulptur. Der 30-Jährige entwirft seit 1965 für die Göppinger Nachrichten Bildgeschichten. Dabei verarbeitet er ein Zeitungsfoto von Willy Brandt mit lachendem Mund. Diesem Mund setzt er später ein lachendes Horn auf die Nase. In Zeichnungen und Skulpturen geistert Brandt nun durch die Ausstellung.

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