Ausstellung in Dortmund: Mach’s einfach selbst!

Von der traditionellen Handarbeit bis zur digitalen Produktion: Do it Yourself ist weit verbreitet — und steckt an.

Düsseldorf. Sind wir nicht alle ein bisschen DIY (gesprochen Di-Ei-Wei)? „Do it Yourself ist wie eine freie Fläche, die jeder individuell für sich nutzen kann“, sagt Tine Nowak, Kuratorin der gleichnamigen Ausstellung, die derzeit in Dortmund Station macht.

Und wirklich: Die „Lust am Selbermachen“, so der Untertitel, ist weit verbreitet — und steckt an. Das hat auch der stellvertretende Leiter der Dortmunder „Dasa Arbeitswelt Ausstellung“, Bernd Holtwick, erfahren: „Ich habe unlängst meine S-Bahn verpasst, weil ich in ein Gespräch über den Bau von Gartenhäuschen vertieft war.“

Wie lässt sich ein so weites Feld präsentieren? Die vom Museum für Kommunikation in Frankfurt konzipierte Ausstellung bietet fünf eigenständige Themenschwerpunkte: Hobby, Medien, Arbeit, Gegenkulturen, Wissen plus Tüftlerlab, zu Deutsch Mitmach-Bereich.

Der Besucher entdeckt fast Vergessenes wie den Heimwerkertrend der jungen Bundesrepublik. Und er lernt Trends kennen, die mithilfe des Internets Menschen zum Selbermachen animieren — wie das Open-Source-Ecology-Netzwerk, das eine Anleitung erstellt, mit der jeder eine sich selbst versorgende, modernen Standards genügende Siedlung bauen kann. Oder er trifft auf Altes in neuem Gewand, wie die Bastel-Diskos in Berlin, wo Jutebeutel und Kartoffeldruck fröhliche Urständ feiern.

Fachkräftemangel und neue, leicht zu verarbeitende Werkstoffe brachten in den 1960er Jahren das männlich dominierte Heimwerken und mit ihm die Baumärkte ins Leben der Deutschen.

„Selbst ist der Mann, die Frau darf zur Hand gehen oder einen Kerzenständer basteln.“ Mit dieser Parole stellt Kuratorin Annabelle Hornung das Heimwerkerhaus in der Ausstellung vor. Der Fetisch Werkzeug gehörte lange nicht in Frauenhand. Der strassbesetzte Lady-Bohrer „IXO Swarowski“ hofft erst in jüngster Zeit auf Kundschaft.

Gedacht wird auch des Bastlers und Tüftlers, der eigentlich nur eine Gitarre kaufen will — und schließlich 25 eigene Klampfen herstellt, weil ihm keine gut genug erscheint, wie er in einem Video selbst erklärt.

Improvisieren und Selbermachen lautete nach dem Zweiten Weltkrieg und später in der DDR das Gebot des Mangels. Viele Kriegsgegenstände wurden umgebaut und neuer Nutzung zugeführt — der Stahlhelm wurde zum Sieb, die Zunderbüchse zum Wäschesprenger. Und in der DDR beförderte der Omega-Staubsauger die Rohrpost im Unternehmen.

Heute baut der Kunde sein (Billy-)Regal selbst auf — und ist stolz darauf. Im Internet entwirft er sein Porzellan, und an der Kasse scannt er seine Ware selbst ein. Kostenersparnis und Unabhängigkeit werden freilich mit Service- und Arbeitsplatzverlust erkauft.

Wer mit Punk nur Sicherheitsnadeln und steile Haarskulpturen verbindet, blendet den durchaus politischen Protest aus. Annabelle Hornung: „Die Hippie- und die Punkbewegung wollten unabhängig vom Establishment die Dinge selbst machen.“ Ein Beispiel: Zeitungen wurden selbst verlegt — die Geburtsstunde der Fanzines (Fan-Magazine).

Viele Protestformen vereinen Kreativität, Witz und industriefernes Do it Yourself: vom geplanten Pudding-Attentat der Kommune I (bei seinem Staatsbesuch 1967 sollte US-Vizepräsident Humphrey mit Pudding attackiert werden) bis zum heutigen Guerilla-Gärtnern (in der Stadt brachliegende verwilderte Flächen werden begrünt).

Das fruchtbare Wirken der Dilettanten (Menschen, die Freude am eigenen Tun haben), Laien (ursprünglich Nichtgeistliche, die sich christliche Bildung selbst aneigneten) und Amateure (Autodidakten, die im Selbststudium lernten) hat schon in früheren Zeiten der Wissensvermehrung gedient. Ab dem 19. Jahrhundert laden Experimentierbücher, ab dem 20. Jahrhundert Baukästen zum Selbermachen ein. „Heute trägt Wikipedia die Weisheit der Massen zusammen“, sagt Helmut Gold, Direktor des Frankfurter Museums für Kommunikation.

Beispiel: Fotografie. Zwar gab es auch schon Ende des 19. Jahrhunderts Filmamateure, folgten in den 1970er Jahren Polaroidkamera und in den 1990er Jahren Lomographie. Digitalkamera und Internet aber befördern die Amateurfotografie in eine neue Dimension. Mit dem Web 2.0 ist die Verbreitung eigener Medienprodukte explodiert. Ob Blog, Youtube, Flickr, Wiki oder Social Media — überall wird selbst Hand angelegt.

Die uralte Auseinandersetzung zwischen Laien und Profis hat im Zeitalter der Netzaktivisten neuen Schwung erhalten. Wir sind eben alle ein bisschen DIY.

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