Ausstellung im Museum Goch: Schwontkowski, der Meister aus Lakonien

„Dem Tod ins Gesicht gelacht“ nennt sich eine Ausstellung im Museum Goch mit 40 Werken.

Ausstellung im Museum Goch: Schwontkowski, der Meister aus Lakonien
Foto: Helga Meister

Goch. Norbert Schwontkowski (1949 bis 2013) war ein Grenzgänger zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Er konnte aus sumpfigen Farben mehrdeutige Geschichten aufscheinen lassen. Er lächelte über die Romantik und kam ihr in seinen Bildern doch häufig sehr nahe. Sein subversiver Humor war betörend. Vier Jahre nach seinem Tode wird dieser Maler des Nordens endlich im Rheinland gezeigt. In Goch präsentiert ein Sammler aus Hessen 40 Gemälde aus der Spätphase des Künstlers.

Schwontkowski wuchs in Blumenthal auf, einem Vorort von Bremen. Die Mutter kam aus dem Ruhrgebiet und hatte ein Hutgeschäft für polnische Gastarbeiter. Der Vater stammte aus Masuren, war Hufschmied und später Schlosser. Sohn Norbert wuchs in einer katholischen Klosterschule auf, flog raus, machte eine Lehre als Schaufenster-Dekorateur und landete auf der Kunstschule für Gestaltung in Bremen, um sich postwendend abzusetzen. Zwischen 1970 und 1980 gondelte er zwischen Afrika, Asien, Lateinamerika und den USA, um geläutert zurückzukehren und alles über Bord zu werfen, was mit Saufen, Frauen, Drogen und dem vermeintlichen Künstler-Klischee zu tun hatte. Aus Schwontkowski wurde ein „ordentlicher“ Künstler, auch ein Akademieprofessor, der das Lästern nicht lassen konnte.

Ein „Meister aus Lakonien“ nannte er sich im Gespräch mit mir. Im Katalog von Goch ist zu lesen, er habe ein „großes spirituelles Interesse“. Das darf man nicht mit einem kirchlichen Interesse gleichsetzen. Er habe sein erstes Briefing durch die katholische Kirche gehabt, aber er sei „umzingelt von Besserwissern gewesen, ob es christliche Mönche, sozialistische Kader oder tibetische Mönche waren“. So einer wie er lässt den Mönch in der graugrün-weißlichen Ursuppe seines Bildes ausrutschen und auf einem Blutfleck landen.

Die merkwürdige Tonigkeit seiner Bilder hängt mit der diesigen Landschaft in Norddeutschland zusammen. Dort entstanden seine Gemälde, die irgendwo aufhören, weil das Bild eine begrenzte Fläche ist. Er liebte den Ausschnitt, das Künstliche und Seltsame.

Seine Farben sind stets im Verschwinden begriffen. „Ich lasse sie vielfach aus, die grellen und lauten Farben“, sagte er. Er war kein Tuben-Held, der die Ölwürste ausdrückte. Er mischte Kupfer- und Metalloxyde in Pulverform mit Leinöl oder wasserlöslichen Binderfarben und freute sich, wenn die Chemie nicht stimmte und ein rosarotes Bild ins Grün hinüberglitt.

Aus seiner „Ursuppe“, die er mit Rakeln traktierte, tauchen all seine flüchtigen Typen auf, die Bötchenfahrer, die Riesenbeine des Wanderers, die Mädchenröcke überm Kai, die Achterbahn mit den abwärts sausenden Kojen und den fuchtelnden Händen. Gezielt setzte er Lichter ein, im Autokino etwa, die die Buckelautos beleuchten, oder im Flugzeug mit seinen Strahlern beim Anflug über der Landebahn.

Schwontkowski war ein kleiner Teufel. Aus seiner Galerie Contemporary Fine Arts machte er ein „Fin des Arts“, ein Ende der Kunst. Sein White Cube ist kein steriler Ausstellungskasten, sondern eine mit Reed gedeckte Hütte im Dunklen. Und seine Türen sind aus den Angeln gehoben.

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