Oper Anna Netrebko: Wahre Liebe im Duett

Die Sopranistin gastiert mit ihrem Gatten Yusif Eyvazov in Köln — das Publikum jubelt.

Oper: Anna Netrebko: Wahre Liebe im Duett
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Köln. Sie ist auf dem Gipfel angekommen. Und erobert sich immer neue Rollen. Hat sogar — nach ihrem kürzlichen „Lohengrin“-Erfolg in Dresden — für 2018 vor, auch in Bayreuth die Elsa zu singen. Anna — die ganz Große. Das geben selbst eingefleischte Netrebko-Nörgler zu. Bei den Salzburger Festspielen zeichnete sich das vor einigen Wochen bereits ab. Mit ihrem Mann Yusif Eyvazov sang sie Puccinis „Manon Lescaut“ konzertant und bescherte dem weltteuersten Festival den einzigen wirklichen Glanzpunkt. Ihr funkelnder Sopran, der sich mühelos wie eine Samt-Trompete in die höchsten Register emporschwingt, ist noch größer geworden. Und, was vor einigen Jahren noch nicht zu hören war: Netrebko hat eine saftige, sinnliche Tiefe bekommen.

All das erlebten jetzt auch die Fans in der ausverkauften Kölner Philharmonie. Die stehenden Ovationen und spontan einsetzenden Jubelstürme waren die Fortsetzung des Salzburger Triumphs und gleichzeitig das Ende ihrer kurzen Promotion-Tour für ihre CD „Verismo“, die seit Freitag im Handel ist. Nur zwei Städte (Hamburg und Köln) besuchten die Netrebkos; denn Netrebko reist, besucht Partys, shoppt und singt fast nur noch mit ihrem Gatten im Schlepptau. Eyvazov, ein stämmiger Tenor aus Aserbaidschan, der nicht schön, dafür aber ganz schön laut singt. Manchmal sogar sehr laut, wie in seiner Kölner Zugabe „Nessun dorma“. Klirrendes Metall kommt aus seiner Kehle, sicher schmettert er in den hohen Registern, zeigt sich aber kaum fähig zu differenzierter Poesie. Ein reißfester, extrem robuster Tenor mit starken Nerven.

Wäre er nicht Netrebkos Ehemann, würde er wohl kaum an ihrer Seite rund um den Globus glänzen dürfen. Das wissen alle, auch er. Egal, Anna tritt gerne mit ihm auf, strahlt ihn in Liebes-Duetten an, umarmt ihn zärtlich. Das muss wahre Liebe sein. So wirkt es zumindest authentisch, wenn sich die Netrebkos singend in den Armen liegen.

Und das ist schon eine Seltenheit auf der Opernbühne. In den meisten Arien und Duetten, die das Publikum in Köln vom ersten Takt an in Hochstimmung versetzt, geht es um Drama-Frauen, von Puccini bis Leoncavallo. Aus Manon Lescaut, Tosca, Turandot, La Wally, und Andrea Chénier interpretierte sie Ohrwürmer aus italienischen Opern, komponiert um 1900, die realistische Handlungen auch im sozial niedrigeren Milieu erzählen und in hochdramatischen Final-Attacken münden. Live (und auf „Verismo“) hört man Netrebkos satte und samtige Stimme, sie ist reifer als vor 14 Jahren, als sie in Salzburg in die Charts katapultiert wurde. Aber nicht schwerer. In „Ecco… “ (aus Adriana Lecouvreur) schwingt sie weit aus, verlangsamt und singt Bögen, die man in dieser Arie voller Sehnsucht und Leidenschaft so fein, sauber und emotional fast nie zu hören bekommt.

Als gestrandete Edelprostituierte Manon Lescaut bietet sie im Duett mit dem geliebten Des Grieux weit mehr als ihren makellosen, luxuriös schimmernden Sopran. Farben in allen Schattierungen und eine ganz klare Aussprache. Annas Sopran ist noch prächtiger geworden und kann schnell umschalten in dunkle, warme Tiefen und schwebendes Pianissimo. Charakter und Charisma — die Netrebko bietet alles. Selbst in „In questa reggia“ aus Puccinis „Turandot“ — einer Oper, die sie, wie sie sagt, niemals auf der Bühne singen würde, büßt sie keine Sekunde an Faszination ein. Als eisgepanzerte Prinzessin erklärt Netrebko in pompöser Seidenrobe der Welt ihre Rätsel und ihre Spielregeln. Netrebko singt diese heimtückisch hoch liegende Verkündigungs-Arie, an die sich meist nur große Wagner-Heldinnen wagen, mit majestätischer Würde und überzeugt durch enorme Wucht.

In dem Ohrwurm „Ebben?“ (aus „La Wally“) ist dann noch einmal zu bewundern, mit welcher Leichtigkeit und wie selbstverständlich sie lyrisches Schweben mit Dramatik verbindet. Locker, freundlich und mit entwaffnendem Strahlen lässt sie sich nach drei Zugaben feiern. Und wirkt entspannt, ausgelassen und natürlich, ohne Allüren einer Diva. Und — anders als Yusif, der sich verausgabt hat — ohne Anzeichen von Erschöpfung. Sie vermittelt nach über zwei Stunden den Eindruck, als hätte sie noch Kraft dafür, um ewig so weiterzusingen.

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