Anna Netrebko: Umjubeltes Debüt als Aida bei den Salzburger Festspielen

Die Premiere der Verdi-Oper galt als der gesellschaftliche Höhepunkt der Salzburger Festspiele. Die Russin enttäuschte die Erwartungen nicht.

Anna Netrebko: Umjubeltes Debüt als Aida bei den Salzburger Festspielen
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Salzburg. In der Oper läuft es in diesem Sommer gut für Salzburgs neuen Festspiel-Intendanten Markus Hinterhäuser. Die Serie von Publikumserfolgen, die mit Mozarts „La clemenza di Tito“ und Schostakowitschs „Lady Macbeth von Mzensk“ begann, wurde am Sonntagabend mit „Aida“ fortgesetzt: mit Anna Netrebko, die klug genug war, bis Mitte 40 zu warten, um ihren wohl gepflegten Stimmbändern die heikle Partie der Verdi-Heldin zuzumuten.

Welche Bühne wäre geeigneter für ihr Debüt, auf das Fans weltweit gewartet hatten, als das große Festspielhaus im Sommer? Wo knapp 600 Journalisten akkreditiert sind und permanent die TV-Kameras surren. Sie freuen sich, wenn die frisch erblondete Netrebko mit ihrem Ehemann Yusif Eyvazov (in Jogging-Anzug und Glitzer-Sneakers) schwer verliebt durch die Gassen und Läden flaniert. Doch auf der Bühne wird Aida freilich nicht blond. „La Netrebko“ singt mit dunkler, hochgesteckter Kronen-Perücke in einem blaugrauen Wallegewand und beweist: Sie kann nicht nur „Aida“, sondern die Primadonna assoluta unserer Tage.

Ihr unverändert samtiger, intelligent geführter Sopran überzeugt mit Dramatik, Sinnlichkeit und wunderbar leuchtendem hohen C. Die komplexe Rolle als äthiopische Königstochter, die nach Ägypten entführt wird und in politische und emotionale Kämpfe gerät, ist für Netrebko ideal. Ihre Stimme wird in der Mittellage größer, ohne an Höhen zu verlieren. Am Ende wird sie bejubelt und mit stehenden Ovationen gefeiert. Jubel auch für die Wiener Philharmoniker unter Riccardo Muti, der sich lange gewehrt hatte, „Aida“ in Salzburg aufzuführen. Und wenn schon, dann „bitte keine Pyramiden, keine Elefanten“ ließ er verlautbaren. Dafür sei Verona zuständig, in der Arena sei Ausstattungspomp notwendig.

Stattdessen erklingt in Salzburg unter dem weisen Verdi-Altmeister Muti (76) ein musikalisches Kammerspiel über eine tragische Dreiecksgeschichte: zwischen der ägyptischen Königstochter Amneris, ihrem geliebten und erfolgreichen Heerführer Radamès, der Amneris auf Wunsch des Königs heiraten soll. Dieser liebt allerdings die Sklavin Aida. Und so erklingen Liebesschwüre, Eifersucht und Todesdrohungen in Arien, Duetten, Terzetten und Quintetten — ohne Getöse, Pomp und Pathos. Stattdessen von blendend disponierten Wienern schlank musiziert, mit gedrosseltem Tempo und gedämpftem Volumen.

Selbst Triumphmarsch und Chöre fügen sich in diese Kammerversion ein, ohne dabei an Farbigkeit und Dynamik einzubüßen. Ebenso der Radamès von Francesco Meli, der alles andere ist als ein Testosteron-Tenor, sondern ein eleganter, lyrischer Sänger mit sinnlichem Pianissimo und makellosen Höhen. Überzeugend auch Ekaterina Semenchuk mit prächtig dunkel gefärbten Mezzosopran als Amneris, die mit stimmlicher Macht gegen die Rivalin Aida kämpft, und innerlich zerbricht, sobald Radamès sich gegen sie und für Aida entscheidet.

Und die Regie? Das ist die Achillesferse dieser „Aida“. Mit geballter Starpower des Opernbusiness brachte man eine Newcomerin zusammen. Shirin Neshat — eine amerikanische Video-Installations-Künstlerin mit iranischen Wurzeln — hat noch nie eine Oper inszeniert. Sie arrangiert zwei monumentale Blöcke, die sich am Ende zur Grabkammer zusammenfügen, Aida und Radamès wie zwei Skulpturen einschließen. Auf den Außenwänden sind Videos über Flüchtlinge zu sehen. Die Gewänder der Priester sollen auf die internationale Lage anspielen, mal sind es Christen oder Juden, dann wieder Muslime. Doch sie bewegen sich kaum, sondern verharren (wie auch weitere Protagonisten) auf den Stuhlreihen im Kubus, der sich unvermittelt um die eigene Achse dreht. Personenregie? Fehlanzeige. Und so retten sich in ästhetisch arrangierten, aber kalten Tableaus so exzellente Sängerdarstellerinnen wie Anna Netrebko und ihr Partner Francesco Meli in übertriebene Posen, die man aus dem Stummfilm kennt. Und das ausgerechnet in der begehrtesten Produktion dieser Festspielsaison, die Polit-Prominenz (auch Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde gesichtet) und reichlich Geldadel anlockt.

Eine Inszenierung, die keine ist und deren Premieren-Ticketpreise wegen der Netrebko alle bisherigen Rekorde auf dem Schwarzmarkt schlagen. Anna Netrebko ist weiterhin Königin aller Kassen. Angeblich sollen einige hartnäckige Fans bis zu 3000 Euro hingeblättert haben. Wegen der hohen Erwartung ertönten dröhnende Buhrufe, sobald sich die aparte und zarte Shirin Neshat und Ausstatter Christian Schmidt zeigten. Sichtlich mitgenommen war sie von der lautstarken Ablehnung des Publikums. Da half ihr auch kaum, dass Maestro Muti, als Gentleman, seine schützende Hand auf ihre Schultern legte.

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