Ästhetik der Schwerindustrie

In der Essener Villa Hügel erhalten Besucher erstmals Einblick in die Foto-Sammlung der Familie Krupp.

Essen. Im Jahr 1811 hat Friedrich Krupp in Essen eine Gussstahlfabrik gegründet. Die nahtlosen Radreifen, die im Krupp-Logo und beim Eisenbahnbau verwendet werden und die Geschützrohre aus Gussstahl, die nicht nur bei deutscher Kriegsbeteiligung zum Einsatz kommen, sind Symbole der mitunter durchaus fragwürdigen Erfolgsgeschichte der Firma Krupp.

Teil daran hat unbestreitbar die Fotografie, die fast von Beginn an die Aktivitäten der Firma und das Leben der Familie Krupp dokumentierte.

Dem fotobegeisterten Alfred Krupp half das neue Medium, sein Interesse für Geschichte mit dem Geschäftlichen zu verknüpfen. 1861 wird die firmeneigene „Photographische Anstalt“ eingerichtet, die neue Technik sogleich für Dokumentation und Werbung genutzt.

Nun entstehen unzählige Werksaufnahmen, Porträt- und Landschaftsserien oder Produktpräsentationen, deren ästhetische Prinzipien in der Kunstfotografie von Surrealismus, Neuer Sachlichkeit und konzeptueller Fotografie fortwirken. 1905 dann wird mit dem Historischen Archiv Krupp das erste deutsche Firmenarchiv gegründet, fast gleichzeitig auch das Familienarchiv, initiiert von Margarethe Krupp.

Es wächst eine Sammlung heran, die beinah bruchlos die Geschichte der Fotografie abbildet. Nur in den 1930er bis 50er Jahren klafft eine Lücke. Aber es wird weiter fotografiert, gesammelt, archiviert, restauriert und gefördert. Im Jubiläumsjahr 2011 wird nun erstmals ein Teil des gut zwei Millionen Aufnahmen umfassenden Archivs zugänglich gemacht.

Etwa 400 Fotoarbeiten, die in der Ausstellung „Krupp. Fotografie aus zwei Jahrhunderten“ in der Villa Hügel zu sehen sind, erzählen von der Essener Industrie-Dynastie und ihren Verstrickungen in Geschichte, in Politik und Wirtschaft. Sie dokumentieren den Aus- und Aufbau der Schwerindustrie im Ruhrgebiet und der Familienbande, geben Einblick in die internationalen Handelswege und zeugen von der Förderung der Fotografie.

Einer der Ausstellungshöhepunkte ist sicher das beinah acht Meter lange und einen Meter hohe Panorama der Gussstahlfabrik Krupp. Die Nahtstellen des Bildes sind inzwischen ein wenig vergilbt, die mittleren Zonen hingegen noch erstaunlich kontrast- und detailreich.

Fast kann man die Gesichtsausdrücke der winzigen Arbeiter erkennen, die an einem Sonntag im Jahre 1864 Modell gestanden haben. Sonst tauchen Arbeiter und ihre Familien selten auf. Die Schwerindustrie lieferte wohl die imposanteren Bilder: glühende Stahlkolosse, gigantische Pressen und Feueröfen.

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