Phänomen Wenn die Helikoptermama mit dem Sohn zur Uni kommt

Immer mehr Eltern dehnen ihre Sorge ums Kind ins Studium aus. Mitunter schießen sie dabei über das Ziel hinaus, wissen Studienberater.

Phänomen: Wenn die Helikoptermama mit dem Sohn zur Uni kommt
Foto: (Archivfoto) dpa

Düsseldorf. Studienberater erleben immer öfter, dass künftige Studierende ihre Eltern mitbringen. Die vermeintliche Unterstützung entwickelt sich dort hin und wieder zur überfürsorglichen Übernahme. „Wir wollen studieren“, heißt es dann aus dem Mund der Helikoptereltern.

Das Phänomen hat mehrere Ursachen. G8, die verkürzte Oberstufe, sorgt dafür, dass Minderjährige an die Unis streben. Zum Wintersemester (WS) 2013/14 nahmen 928 Personen unter 18 Jahren ihre Studium an NRW-Hochschulen auf (bundesweit etwa 3000). Dort erwarten sie 9700 mögliche Studiengänge und die Regelstudienzeit. Der Druck wächst — bei Kind und Eltern.

Helikoptereltern sind „überinvolviert, überbehütend und stark autonomieeinschränkend“ und suchen „dabei auch noch die Schuld für Niederlagen des Kindes bei Dritten“, erklärt Daniel Wilhelm in seiner Diplomarbeit zum Thema (2013). Mit „negativen Folgen für ihre Kinder“, so der Diplom- Psychologe der Zentralen Studienberatung der Universität Bielefeld, die dadurch unselbstständiger würden. Gründe für das Verhalten der Eltern seien Studentenüberschuss (717 858 in NRW zum WS 14/15) Akademisierungswahn, Wirtschaftskrisen und Schuldendebatten zu diffusen Abstiegsängsten in der Bevölkerung führten. Um den sozialen Status der Baby-Boomer-Eltern zu halten, müssten deren Kinder sich aus der Masse abheben. Ein Hochschulabschluss allein genüge nicht. Engagement sei gefragt.

Auch beim Fachverband der Studienberater, der GIBeT (Gesellschaft für Information, Beratung und Therapie an Hochschulen), kennt man „teilweise übergriffliche“ Eltern. „Da ruft dann die Mama wegen der Studienzulassung an, weil das Kind arbeiten müsse“, schmunzelt Stefan Hatz. Die meisten Eltern aber nähmen einfach ihre Verantwortung wahr.

Eltern geben Geld und wollen wissen, wofür. Das „Projekt (Einzel=)Kind“ solle Erfolg haben: „Das Interesse der Eltern ist grundsätzlich gut. Problematisch wird es nur, wenn es das normale Maß verlässt.“ Allerdings werde den Studienanfängern durch die Regelstudienzeit auch einiges abverlangt. Viele Studenten verlangten von sich, binnen sechs Semestern fertig zu werden und einen Auslandsaufenthalt unterzubringen. Die Minderjährigkeit durch G8 dagegen reguliere sich oftmals von selbst: Viele Abiturienten schöben ein freiwilliges soziales oder ein Au Pair-Jahr ein.

An der Bergischen Universität Wuppertal haben die Studienberater ein steigendes Eltern-Interesse vor allem im Zuge des doppelten Abijahrgangs (2013) wahrgenommen. Jährliche Elterninfoabende wurden eingeführt. Christine Hummel, Leiterin der Studienberatung, sagt: „Wir freuen uns über das Interesse der Eltern, schreiten aber ein, wenn sie für das Kind sprechen, das daneben sitzt und schweigt.“

Die Studenten heutzutage seien pragmatisch, medienaffin, präsentationstechnisch fit und, so Hummel, „sie begrüßen durchaus Lotsen durchs Dickicht des komplexen Unibetriebs“ .

Heutige Eltern wollen mehr gestalten, absichern und kontrollieren, weiß Diplompädagogin Brigitte Albrecht vom Studierendenservice der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf. Eltern, die kommen und sich nach dem Leistungsstand des studierenden Kindes erkundigen, seien aber die absolute Ausnahme.

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