Stefan Raab verabschiedet sich Und jetzt Testbild, oder was?

Stefan Raab geht im Dezember vom TV-Schirm. Das Gesicht wird fehlen, das Unterhaltungshirn wird kaum ruhen. Und sein Sender ist entsetzt.

Stefan Raab verabschiedet sich: Und jetzt Testbild, oder was?
Foto: Jörg Carstensen

Düsseldorf. Als Stefan Raab 1994 mit einer Ukulele bewaffnet durch die WM-Szenerie in den USA stapfte und Berti Vogts auflauerte, war der größte Schritt gemacht. Am damaligen Bundestrainer der Effenberg-Generation arbeitete sich Raab ab („Bööörti, Bööööörti Vogts“) — und begründete so seinen Erfolg, der so nachhaltig gelang, wie man es seinerzeit nicht für möglich gehalten hätte. Erst im vergangenen Jahr ist Vogts von Aserbaidschan aus in die Trainer-Rente gegangen, jetzt folgt ihm seine Plagegeist von einst in Köln-Hürth: Raab, 48 Jahre alt, wird seine TV-Karriere im Dezember beenden.

Ziemlich früh für einen, der als ausgebildeter Metzger 1993 erst mit 25 beim TV-Musikkanal Viva („Vivasion“) begonnen hat. Aber eben vielleicht auch früh genug, um nicht Opfer statt Täter zu sein; in einer TV-Landschaft, die sich vom linearen Fernsehen mehr und mehr verabschiedet und die großen Formate seiner Geschichte liegen lässt, weil die Zuseherschaft weiterzieht. Schneller, kürzer, flippiger — und der Nächste, bitte! Aber nicht mit Raab.

Der Allrounder geht - Stefan Raab hört mit Fernsehen auf
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Der Nächste — das war bislang eigentlich immer er selbst. Flippig konnte er auch. Zuerst zehn Kilo leichter, mit Hornbrille, Schmalzlocke, abgewetzter Jeans (die haben überlebt) und Respektlosigkeit. Später mit Kontaktlinsen, neuer Beißleiste und: Respektlosigkeit. Raab als Ulknudel und enfant terrible, Musikgenie, Spielkind und Ausprobierer.

Später als Ehrgeizling und Kreativ-Monster, angetrieben vom eigenen Erfolg und einem Sender (ProSieben), der mit der 1999 gestarteten TV-Total-Show Raab als die junge Harald-Schmidt-Variante auf die Late-Night-Schiene stellte. Und dann vergnügt zusah, wie der Protagonist sich sein eigenes ProSieben-Reich schuf, von dem alle profitierten: Raab selbst mit seiner Produktionsfirma „Brainpool“, der Sender mit guten Quoten und der Gewissheit, bei den Öffentlich-Rechtlichen für Schnappatmung zu sorgen — und die Zuschauer.

Ob Turmspringen, Stockcar, Wok-WM oder Eisfußball, weniger als ganze Samstagabende ging nicht, weniger als Erfolg aber eben auch kaum. Dass Merkel und Steinbrück sich beim Kanzler-TV-Duell 2013 auch noch von Raab befragen lassen mussten, war nur letzter Beweis, dass der TV-Anarcho alle Barrieren hinter sich gelassen hatte. Aber auch dafür, dass die „Raabisierung“ einer Generation den Sinn für Seriosität hat verschwimmen lassen. Merkel, Steinbrück, Raab — hallo?

„Wir werden ihn sehr vermissen, teilte „ProSieben“ mit, der Sender hatte eine Vertragsverlängerung um einige Jahre geboten, obwohl die Quote dann doch nachließ. Das letzte große Zugpferd, „Schlag den Raab“, brachte die Symbiose von Sender und Gesicht auf den Punkt: Fünf Stunden Sendezeit am Samstagabend, Raab im Eins-zu-Eins-Duell. Und am Ende meist Sieger. Raab total.

Er habe die Entscheidung nach „reiflicher Überlegung und mit Überzeugung getroffen“, schrieb Raab am Donnerstag. Einer schrieb bei Twitter: „pro7 sendet demnächst nur noch halbtags und führt das Testbild wieder ein“. Aber: Raab, der weitgehend anonym in Köln mit Frau Nike und zwei Kindern lebt und seltenst über sich spricht, wird kaum ruhen. Gesicht weg, aber das Hirn bleibt.

Jenes, das nebenbei den Eurovision Song Contest (ESC) zuerst zu revolutionieren („Wadde hadde dudde da?“ sang er 2000 selbst, Guildo Horn produziert er) und dann auch ganz seriös zu gewinnen half, weil Lena 2010 von Raab gecastet und dann zu dessen Figur wurde. Wohlgemerkt: Ohne Clown sein zu müssen, der Raab selbst immer weniger war.

Zuletzt schien es, als arbeite er in den meisten Formaten ziemlich gleichgültig seine Verträge ab. Das ist Medienkritikern nicht verborgen geblieben. Jenen, die nun Nachrufe auf einen halten, den es so nie wieder gebe. Eine Rampensau mit Geist, Geschäftssinn und Kondition. Einer, der sich ins Gehirn zweier Generationen gebrannt hat als Pfeiler der TV-Geschichte. Und der erkannt hat, dass diese Geschichte nicht dauerhaft weitergeschrieben wird.

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