Kirchentag in Hamburg: Protestanten fragen nach gerechter Verteilung

„Soviel du brauchst“ ist die Losung für den Kirchentag, der am Mittwoch in Hamburg beginnt.

Hamburg. Die Kunst einer Kirchentagslosung liegt darin, genug Projektionsfläche für theologische wie politische Betrachtungsweisen zu bieten. „Soviel du brauchst“, Motto des 34. Deutschen Evangelischen Kirchentags, der am Mittwoch in Hamburg beginnt, entstammt einer jahrtausendealten Verteilungsgeschichte mit erstaunlich aktuellen Bezügen.

Bis Sonntag werden sich rund 110 000 Dauerteilnehmer und zehntausende Tagesgäste des protestantischen Laientreffens mit den unterschiedlichen Blickwinkeln befassen, die der alttestamentlichen Erzählung vom Volk Israel in der Wüste abzugewinnen sind. Diese handelt davon, dass die Nahrung für alle reicht, aber auch von Raffgier und Verderben. Fragen nach der gerechten Verteilung von Lebensmitteln und verantwortungsvollem Wirtschaftshandeln liegen auf der Hand und werden sich in den 2500 Veranstaltungen widerspiegeln.

Dass der neue Papst Franziskus seine Kirche in der Gerechtigkeitsdiskussion an der Seite der Armen sieht, kann auch im protestantischen Hamburg nicht ohne Echo bleiben. Zu sehr sind die beiden christlichen Konfessionen bei aller Unterschiedlichkeit im Guten wie im Schlechten aufeinander bezogen. Was in der einen Kirche passiert, lässt die andere nicht kalt. Bis zum großen Reformationsjubiläum 2017 sind es nur noch vier Jahre. Bis dahin ist noch mancher Stein aus dem ökumenischen Weg zu räumen.

In der Hafenstadt Hamburg könnte der frische Wind aus Rom für Belebung im Dialog sorgen. Dabei steckt die evangelische Kirche gerade mal wieder selbst im Prozess fortwährender Erneuerung. Das gilt nicht nur für die Evangelische Kirche im Rheinland, die sich nach internem Finanzskandal und personellen Umbrüchen neu sortiert und in Hamburg mit 15 000 Teilnehmern vertreten ist. Auch die gastgebende Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland ist erst vor einem Jahr aus der Fusion dreier Landeskirchen hervorgegangen.

„Soviel du brauchst“, die Losung wirft aber auch ein Licht auf den Kirchentag als Fest der Selbstvergewisserung. Und davon können die Menschen in den Gemeinden derzeit kaum genug bekommen. Die zunehmend aggressivere und pauschalere Kirchen- und Religionskritik in der Gesellschaft erschüttert viele Gläubige bis ins Mark — auch weil das plakativ-polemische Streiten meist nicht zu ihren Stärken zählt. Da können fünf Tage unter Gleichgesinnten Balsam für die Seele sein.

Aktuelle Berichte vom Kirchentag gibt es in Ekkehard Rügers Blog unter wz.de/kirchentag

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