Mehr als nur krumme Karotten: „Culinary Misfits“

Berlin (dpa) - Zwei Berliner Designerinnen haben ein Herz für krumme Dinger. Mit gutem Gewissen: Lea Brumsack (30) und Tanja Krakowski (37) arbeiten mit Obst und Gemüse, das so schief oder anders aussieht, dass es aussortiert, vom Bauern an die Schweine verfüttert oder untergepflügt wird.

Dabei schmecken Möhren mit drei Beinen, Schlängel-Gurken und rote Beete in XXL genauso gut wie das Norm-Gemüse. „Esst die ganze Ernte“, das ist die Botschaft der Unternehmerinnen von „Culinary Misfits“.

Gerade haben die beiden beim Catering für eine Preisverleihung im Umweltministerium ihre kulinarischen Sonderlinge aufgetischt: Spieße aus Kürbis und Mairübchen, krumme Wurzelhappen und grüne Stullen. Ein Besucher durfte eine schiefe Pastinake aus der Deko mitnehmen, mit der Auflage, daraus etwas Schönes zu kochen und zu fotografieren.

Noch werkeln die „Culinary Misfits“ in einem Gemeinschaftsbüro, im Frühjahr soll in Kreuzberg ein Laden mit Küche, Verkauf und Mittagstisch öffnen. Angefangen hat das Projekt Anfang des Jahres mit einem Wägelchen in der Markthalle, das Ergebnis der Bachelorarbeit von Tanja Krakowski. Ihre Ware kaufen sie von Bauern aus Brandenburg. Es kommt vor, dass sie selbst auf dem Feld nach Topinambur graben dürfen. Solche alten Gemüsesorten gehören zum Konzept.

Beide Frauen haben sich viel mit Nachhaltigkeit und regionalen Lebensmitteln befasst. Lea Brumsack hat es beeindruckt, dass Ware von Neuseeland bis nach Berlin 18 250 Kilometer unterwegs ist. Warum schief Gewachsenes so selten im Handel landet, ist für sie klar. „Man sucht sich das Schönste aus, weil man dafür bezahlt hat.“ Tonnen von Obst und Gemüse schaffen es gar nicht erst nicht in den Verkauf. Bei Biobauern seien es um die 30 bis 40 Prozent Ausschuss, sagt Tanja Krakowski.

Das Thema ist aktuell, das Bewusstsein über die Verschwendung von Lebensmitteln wächst. Gerade hat die Bundesregierung die App „Zu gut für die Tonne“ mit Kochrezepten für Internet-Handys vorgestellt. Sie soll den Berg an Lebensmittelabfällen verringern. Im Schnitt werfen Deutsche 81,6 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg, ein Großteil wäre noch genießbar. „Taste the Waste“ heißt ein Buch über Food-Aktivismus, das ein Kapitel den „Culinary Misfits“ widmen.

Anders im Gegensatz zur Öko-Bewegung der 80er Jahre ist die ästhetische Komponente, der Denkansatz. Einfach 200 Liter Öko-Kürbissuppe zu kochen, ist dem Duo zu wenig. Es soll auch hübsch aussehen und eine Geschichte erzählen. Die menschliche Parallele liegt auf der Hand. „Äußerlich wie innerlich ist niemand perfekt“, sagen die Unternehmerinnen. „Damit spielen wir auch.“ Lea Brumsack kann gut damit leben, wenn in zehn Jahren krummes Gemüse im Handel normal ist. „Dann ist das Ziel erreicht.“

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