„Killer Jeans“ kosten Sandstrahlarbeiter das Leben

Istanbul (dpa) - Jeans können töten - die Arbeiter, die sie mit Sandstrahlern auf alt trimmen. In Hersteller-Ländern wie Pakistan, China, Bangladesch oder Ägypten leiden tausende Arbeiter an gefährlichen Lungenerkrankungen.

Mit einem Sandstrahler hat der Türke Abdülhalim Demir in Istanbul mehr als vier Jahre lang Jeanshosen auf alt getrimmt. Der Look „wie schon benutzt“ hat Kunden in Europa gefallen, doch Demirs Lunge hat der Staub angegriffen und schwer vernarbt.

„Sie haben uns etwas mehr als den Mindestlohn gezahlt. Aber es gab Schlafplätze umsonst dazu“, sagt er. „Ich war aus Ostanatolien nach Istanbul umgezogen. So eine Arbeit hat viele gelockt“, sagt er. Bei seinem Militärdienst wurde dann eine Silikose festgestellt, die in schweren Fällen zum Ersticken führen kann.

Internationale Arbeitsrechtsinitiativen fordern die Modeindustrie auf, auf das für ungeschützte Arbeiter lebensbedrohliche Sandstrahlen von Jeans weltweit zu verzichten. Es sei unmoralisch, die Verantwortung abzulehnen und kleinen Subunternehmern - viele in der Dritten Welt - freie Hand zu lassen.

Die Türkei war vor einem Verbot ein Hauptproduzent für die mit Sandstrahlern bearbeiteten Jeans. Über die Jahre seien etwa 10 000 Arbeiter in der Branche beschäftigt gewesen, von denen nun rund die Hälfte an Silikose leide, sagt Yesim Yasin, Mitarbeiterin eines türkischen Hilfskomitees in Istanbul. Bisher seien etwa 50 türkische Arbeiter gestorben. „Das ganze Ausmaß des Problems wird erst mit der Zeit bekannt“, sagt Yasin. Denn in den ersten Jahren merkten die Arbeiter oft noch nichts.

Die Türkei hat den Einsatz von Sandstrahlern in der Textilindustrie 2009 verboten. Nun gehen die Aufträge an Kellerwerkstätten und Kleinfabriken in Ländern wie Pakistan, China, Bangladesch oder Ägypten. Dort drohe tausenden Arbeitern der Tod, wenn sie weiter Jeans mit Sandstrahlern bearbeiten müssten, warnen die Arbeitsrechtsinitiativen.

Etwa fünf Milliarden Jeanshosen werden jährlich weltweit produziert. Seit den 90er Jahren sind schon ab Werk abgetragen aussehende Hosen in Mode. Zunächst wurde das Stone-Washed-Verfahren verwendet und angepriesen, später wurden zunehmend Sandstrahler eingesetzt. Es gibt auch chemische Verfahren. Zeitweise war es auch in Deutschland beliebt, selbst mit aggressiven Chlorwaschmitteln die Farbe zu verändern oder Muster einzubleichen. Heute gibt es zudem ein Laserverfahren, das aber viel teurer ist als der Einsatz von Sandstrahlern.

Die Kampagne Saubere Kleidung und das schwedische Fair Trade Center versuchen, die Hersteller von dem Sandstrahl-Verfahren abzubringen. Von 17 kontaktierten Unternehmen haben bisher acht zugesagt, künftig keine Sandstrahler mehr einzusetzen oder einsetzen zu lassen.

„Dass einige Unternehmen handeln, reicht aber nicht, um den ganzen Sektor abzudecken“, sagt Wyger Wentholt von der Kampagne Saubere Kleidung am Samstag in Istanbul. „Wir ermuntern Regierungen, Importverbote für solche Jeans zu prüfen.“ Die Industrie müsse sich auch bereiterklären, die Kosten für die Behandlung bereits erkrankter Arbeiter zu übernehmen.

„Heilung gibt es leider nicht bei der Silikose“, sagt der erkrankte Abdülhalim Demir, der von 1999 bis 2002 Jeans bearbeitet hat und nun ein weltweites Verbot fordert. „Manchmal im Winter hilft nur die Sauerstoffmaske.“

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