Wenn Stefan Raab das Flegeln vergisst

Raab sucht in acht Shows bei ProSieben und der ARD den deutschen Kandidaten für den Grand Prix.

Köln. Stefan Raab gibt nicht gern den Leisetreter. "Das ist eine nationale Aufgabe", verkündete er, als er das Konzept für die deutsche Vorauswahl zum Eurovision Song Contest vorstellte. Beim NDR dürfte man angesichts solcher Sprüche wohl begeistert nicken. Der Sender betreut für die ARD seit Jahren den Musikwettbewerb, den immer noch alle Grand Prix nennen.

Und die deutsche Bilanz der vergangenen Jahre ist kläglich. 2009 reichte es für das Retorten-Duo Alex swings Oscar sings gerade mal zum 20. Platz; die No Angels erreichten 2008 nur den 23.und letzten Rang. Davor belegten Roger Cicero und Texas Lightning die Ränge 19 und 15, Gracia wurde 2005 Letzte.

Vor der senderübergreifenden Kooperation gab es im vorigen Sommer erst mal Querelen: Das Erste wollte den ProSieben-Moderator als Grand-Prix-Zampano.

Der sagte nach dem ARD-üblichen Gremiengequengel erst mal vergrätzt ab, dann aber doch zu. Anschließend rief der 43-Jährige nicht weniger als "die größte Casting-Aktion in der Geschichte der Menschheit" aus.

Lässt man derlei Großspurigkeiten beiseite, stößt man auf einen Mann, der sich tatsächlich beträchtliche Meriten um die deutsche Musikszene erworben hat. Was den Grand Prix angeht, hat er fast schon einen Ruf zu verlieren.

Drei Mal hat er es schon in die Eurovisions-Top-Ten geschafft: 1998 verhalf Raab als Vorreiter der Spaßfraktion mit seinem Lied "Guildo hat Euch lieb" Guildo Horn zu Platz 7. Zwei Jahre später stand Raab selbst auf der Bühne und sang sich im Glitzeranzug mit dem sinnfreien "Wadde hadde dudde da" auf Rang 5. Im Jahr 2004 schickte er nach einem Casting in seiner ProSieben-Show "TV Total" Max Mutzke in das Finale - Platz 8 war die Belohnung.

Mittlerweile hat der versierte Produzent mit Stefanie Heinzmann eine weitere Castingsängerin erfolgreich in die Charts gebracht und seinen Bundesvision Song Contest als jährlichen Liederwettbewerb zur Institution bei ProSieben gemacht. Wenn es um Musik geht, hat der Flegel in Raab Sendepause. Stattdessen ist er konzentriert und konstruktiv, pflegt seine Schützlinge nachhaltig.

Deswegen darf man es dem Kölner ruhig abnehmen, wenn er im Vorfeld der Ausscheidung so viel Wert darauf legt, sich vom RTL-Dauererfolg "Deutschland sucht den Superstar" abzugrenzen. Er lehnt es ab, Kandidaten mit derben Sprüchen anzugehen wie Dieter Bohlen, dessen "Superstars" er für künstlerische Eintagsfliegen hält.

Noch hat er sich aber nicht entschieden, ob er - wie bei seinen bisherigen Grand-Prix-Platzierungen - auch diesmal selbst ein Lied beisteuern wird. Seine musikalische Vielfalt hatte bisher maßgeblich zum Erfolg beigetragen. Raab hat als Songschreiber die Philosophie, dass man "die besten Ideen hat, wenn das Gehirn entspannt ist". Dafür hat er im Moment aber zu viele Sendungen im Kopf.

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