Ute Lemper: Privat bin ich keine Femme fatale

Chansonsängerin Ute Lemper über ihr viertes Kind, ihre aktuelle Tour und die Liebe zu ihrer Wahlheimat New York.

New York. Ute Lemper (48) ist gerade in Deutschland unterwegs. Mit im Gepäck hat die neuerdings vierfache Mutter „Lost Tango“, eine Liebeserklärung an den 1992 verstorbenen Argentinier Astor Piazzolla. Begleitet von der Astor Piazzolla Band betritt Lemper auf der Bühne eine neue Welt.

Frau Lemper, Sie wurden gerade wieder Mutter und gehen schon auf Tour. Ist es schwierig, die Familie so kurz nach der Geburt alleine zu lassen?

Lemper: Einfach ist es nicht. Aber Jonas kommt mit, ich muss ihn bei mir haben. Eine Nanny wird helfen, und zehn Tage bleibt er bei seinen Großeltern in Münster, die freuen sich. Und mein Mann kommt mit Julian nach. Die beiden Teenager sind eher froh, sturmfreie Bude haben.

Wie wurden Sie so schnell wieder fit?

Lemper: Ich habe die ganze Schwangerschaft über gesungen. Die Stimme ist ja ein Instrument, ein Muskel, der trainiert werden muss. Die Kleider passen noch nicht so ganz, aber das macht nichts, die wurden weiter gemacht. Ich bin ja generell relativ dünn, deshalb mag ich ein paar Kilo mehr ganz gerne. Und wenn die Routine eintritt und das Stillen vorbei ist, schrumpft eh alles wieder.

An Kürzertreten denken Sie nicht?

Lemper: Ein bisschen schon, aber diese Tour war nicht umzulegen. Mit dabei sind ja die Veteranen, die Originalmusiker, die früher mit Astor Piazzolla gespielt haben. Die sind einfach nicht mehr die Jüngsten. Es war schon ein Affenzirkus von über eineinhalb Jahren, alle unter einen Hut zu bekommen.

Was fasziniert Sie an Piazzolla?

Lemper: Er war ein internationaler Rebell und hat den Tango mit anderen Elementen in die Welt hinaus gebracht hat, dafür bewundere ich ihn. Er lebte in New York und hat den Tango anderen Stilen gegenüber geöffnet, dem Jazz oder Rock beispielsweise. Die Texte sind sehr kritisch, sehr revolutionär, nicht diese kleine romantische Erzählerei. Ich habe den Tango, den Piazzolla mir anbietet, in meine Welt mitgebracht, die viel europäischer ist. Ich reichere das Programm mit Liedern von Jacques Brel oder Edith Piaf an, verquicke es und bringe alles auf die Weltbühne.

Tango hat diese gewisse Melancholie.

Lemper: Das stimmt. Er ist dramatisch, aggressiv, voller Sehnsucht und Verzweiflung. Ich kann da als Künstlerin problemlos reinschlüpfen. Aber die Femme fatale, die exotische Dame der Nacht, bin ich nur auf der Bühne. Das ist mir zu anstrengend, zu destruktiv. Im Privatleben wähle ich sehr bewusst die harmonische Seite. Aber ich weiß genau, in welche Ecken diese Lieder gehen, wenn das Leben haltloser, extremer, radikaler ist.

Sie haben im Lauf Ihrer Karriere ja auch schon einiges gemacht, viele Stile ausprobiert.

Lemper: Ich habe viele Kapitel gehabt und alle können co-existieren. Jazz, meine eigene Musik, die Bukowski-Sachen, Kurt Weill, Brecht, die französischen Chansons oder die Musicals, das kann sich in meiner Welt zusammentun. Ähnlich wie man auch hier in New York mit den verschiedenen Nationalitäten zusammenlebt.

Sie leben seit 14 Jahren in New York, was macht diese Stadt für Sie so speziell?

Lemper: Ich liebe die Vielfalt, alles ist entspannter. Man kann aussehen, wie man möchte, und sagen, was man will. Man wird nicht angestarrt, nicht beurteilt. Ich fühle mich hier immer privat, nie wie ein Star, sondern wie jeder andere, der durch die Straßen geht. Wie eine echte New Yorkerin eben.

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