Ursula von der Leyen: Die perfekt getarnte Rebellin

Sie wirkte erzkonservativ und streng, doch Ursula von der Leyen hat sich gewandelt. Sie tritt offensiver auf und kämpft für die Freiheiten der Frauen.

<strong>Berlin. Freiheitskämpfer stellt man sich anders vor. Sie tragen meistens keine türkisfarbenen Abendkleider und posieren grundsätzlich nicht für Modefotos, weil das ihren verwegenen Ruf ruinieren würde. Aber wenn Ursula von der Leyen sich für die "Frau im Spiegel" in großer Robe ablichten lässt, dann kämpft sie um Freiheit - in diesem Fall darum, als Politikerin nicht nur im Hosenanzug, sondern auch betont weiblich auftreten zu dürfen. Im dazugehörigen Interview plaudert die Familienministerin darüber, dass sie gern bei ihren Töchtern stöbert: "Die haben pfiffige Kleider im Schrank, die mir auch passen." Vor einigen Wochen legte die 48-Jährige ihr letztes konservatives Accessoire ab - die streng hoch und nach hinten gesteckte Frisur - und erschien mit modernem Haarschnitt. Im Kabinett erstaunte sie die Kollegen wenig später mit ungewohnt kurzem Rock und ein paar Tanzschritten durch den Saal. Da zischte ein Unionspolitiker: "Unprofessionell." Doch der neue persönliche Stil von der Leyens korrespondiert bloß mit dem politischen Stil der Familienministerin. Die Union weiß mittlerweile, dass sie eine Rebellin in ihren Reihen hat, die Frauen die Vereinbarkeit von Kind und Beruf ermöglichen will. Und die Rebellin weiß schon länger, dass sie männliche Feinde in der Union hat, die um ihr hergebrachtes Familienbild fürchten.

Die Ministerin überrumpelt gern ihre Gegner, auch in der CDU

Der künftige Ex-Vorsitzende der CSU, Edmund Stoiber, zählt zu den prominenteren Gegnern. Stoiber erfand das Betreuungsgeld für "Selbsterzieher", um gegen den Erfolg der Ministerin beim Ausbau der Kinderbetreuung zu protestieren. Von der Leyen wandelte den Vorschlag in Bildungsgutscheine um, denn sie hat nicht nur die Probleme von Frauen im Blick, sondern auch die Situation vieler Kinder, deren Mütter sich nicht um sie kümmern.

"Mit dem Betreuungsgeld verstärken wir den Teufelskreis, in dem Kinder, die von zu Hause keine Chance auf frühe Bildung, gute Sprache, viel Bewegung haben, vom Kindergartenbesuch ausgeschlossen werden. Und das nur, weil ihre Eltern mit 150 Euro lieber ihre Haushaltskasse aufbessern", entgegnete die Mutter von sieben Kindern ausnahmsweise einmal nicht Stoiber, sondern Oskar Lafontaines Ehefrau Christa Müller. Mit ihr führte sie im "Spiegel" ein Streitgespräch. Müller, die für ihren Sohn ihre Karriere aufgab und eine konservative Rollenverteilung propagiert, hatte von der Leyen vorgeworfen, Eltern einem "Zwang zur Fremdbetreuung" auszusetzen.

Immer wieder, aber nicht immer geduldig, erläutert von der Leyen, dass sie alle Lebensentwürfe berücksichtigen möchte. Sie warnt davor, Familienmodelle gegeneinander auszuspielen. Genau das versuchen einige konservative Politiker, denen die Modernisierung der Union zu weit geht. Sie ärgern sich auch über die Strategie der Ministerin: Überrumpelung.

Ohne sich große Gedanken über die Finanzierung von 750 000 Betreuungsplätzen zu machen, überraschte von der Leyen die eigene Partei mit ihren Forderungen. Sie verließ sich allein auf die Rückendeckung von Angela Merkel und der Öffentlichkeit. Im Prinzip verhielt sie sich wie eine direkt gewählte Ministerin, was sehr riskant war - und sehr zielführend.

Ausbildung Ursula von der Leyen wurde am 8. Oktober 1958 in Brüssel geboren. Sie wuchs im niedersächsischen Lehrte auf und machte schon als 17-Jährige Abitur mit einem Notenschnitt von 0,8. Sie studierte Volkswirtschaftslehre und Medizin.

Beruf Nach einigen Jahren als Assistenzärztin promovierte die CDU-Politikerin an der Stanford University und arbeitete von 1996 bis 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Medizinischen Hochschule Hannover. Von 2003 bis 2005 war sie Ministerin für Familie und Gesundheit in Niedersachsen.

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