Thronfolger Willem-Alexander: Gestern Bier, heute Wasser

Willem-Alexander besteigt am Dienstag als König den Thron der Niederlande. Sein Volk traut ihm das hohe Amt zu, doch das war nicht immer so.

Amsterdam. Eigentlich muss alles schiefgegangen sein, wenn jemand erst mit 46 Jahren seine Lehre beendet, um in den Hauptberuf einzusteigen. Nun ist das bei Monarchen ein wenig anders. Die meisten sind rüstig und gesund, schon seit Jahrhunderten kommen sie nicht mehr regelmäßig in Kriegen um.

Das Warten gehört also zum leidigen Geschäft eines Thronfolgers. Im Fall von Willem-Alexander, der am Samstag Geburtstag hat und am Dienstag seiner Mutter Beatrix auf den Thron der Niederlande folgen wird, werden viele Untertanen aber sagen: Gut so! Denn „Prins Pilsje“, wie sie ihn lange wegen seiner ausschweifenden Feierleidenschaft nannten, musste erst zum Kronprinzen und Thronfolger reifen.

Selbst die eigene Mutter wird so manches Mal verzweifelt haben, dass ausgerechnet Willem-Alexander ihr Erstgeborener und damit nach ihr die Nummer eins der Thronfolge ist. Denn obwohl das gleiche blaue Blut in ihren Adern fließt, lagen die Charaktere so weit auseinander wie die Niederlande und ihre verbliebenen kleinen Karibik-Kolonien.

Beatrix, immer selbstbeherrscht, majestätisch zurückhaltend und streng mit sich und anderen — auf der anderen Seite ihr sturer, pummeliger und bisweilen fauler Sohn. Die Rollenverteilung war klar: Für Nähe und Herzlichkeit war Vater Claus zuständig. Doch letztlich bescherte der Prinz seinen Eltern in der Pubertät so viele Probleme, dass sie ihn auf ein Internat im abgelegenen Wales schickten.

Die Kur schlug nicht an. Zwar schaffte er seinen Abschluss, doch zum Studium zurück in den Niederlanden blieb die erhoffte Veränderung aus. Wirtschaft und Geschichte studierte er an der international renommierten Universität in Leiden — mit mäßigem Erfolg. Sein Engagement in der Burschenschaft Corps Minerva blieb stärker in Erinnerung als seine wissenschaftlichen Leistungen.

„Er ist intelligent, aber nicht intellektuell“, kommentierte sein Professor mehr wohlwollend Willem-Alexanders Abschlussnote „befriedigend“. Seine Abschlussarbeit wurde erst gar nicht, wie sonst üblich, in der Bibliothek ausgelegt. Ein kleiner Skandal. Und so einer sollte das Land später einmal moralisch führen und den Fortbestand der Monarchie sichern?

Was folgte, war ein Leben in der Öffentlichkeit, aber ohne rechtes Ziel. Willem-Alexander nutzte die Zeit und seine Apanage, um seiner größten Leidenschaft nachzugehen: dem Fliegen. Schrittweise baute er sein Können aus, bis er 2001 die Lizenz zum Verkehrspiloten erwarb. Offenbar so überzeugend, dass ihn die staatliche Fluggesellschaft KLM ab und an ihre Jets fliegen ließ, damit die Lizenz erhalten bleibt. Natürlich nur als Co-Pilot und unentgeltlich.

Der Prinz probierte viel aus. Sportlich reichte sein Repertoire vom Tauchen übers Skifahren bis zum New York Marathon 1992. Motto: „Wer Sport macht, macht auch im restlichen Leben eine gute Figur.“ Praktischer Nebeneffekt: Sein in jenen Jahren fast sprichwörtlicher Biergenuss setzte am hochgewachsenen Willem-Alexander nicht zu sehr an. Beatrix rief ihn indirekt zur Raison: „Wir sind keine Heiligen, aber eine königliche Familie.“

Ähnlich lang wie die Liste seiner Sportarten ist die seiner in der Öffentlichkeit bekannten Liebschaften: Paulette, Jacomijn, Yulande, Frederique und einige mehr prägten das Bild vom passionierten Lebemann. Allerdings im Negativen. Der auch in Deutschland populäre niederländische Schriftsteller Leon de Winter sorgte wohl für den deftigsten Vergleich: „Prinz Charles ist gegen Willem-Alexander ein intellektueller Latin Lover.“

Eine Sommernacht im spanischen Sevilla wurde 1999 zum prägenden Moment: Der Prinz lernte die argentinische Bankerin Máxima kennen und überbot nach Meinung selbst der liberalsten Niederländer damit zunächst alle seine bisherigen Eskapaden. Grund: Die neue Gefährtin ist Tochter eines Ministers der berüchtigten Videla-Diktatur.

Doch der Gipfel der Empörung war zugleich der Wendepunkt — der Saulus wurde zum royalen Paulus. Denn Máxima verstand es, Vorurteile abzubauen und die Herzen der Niederländer im Sturm zu erobern. An ihrer Seite gewann auch Willem-Alexander schnell an Profil. Die umjubelte Hochzeit 2002 war ein Triumphzug der Monarchie.

Den „Prins Pilsje“ hat man Willem-Alexander mittlerweile augenzwinkernd verziehen, seit er sich dem Wasser verschrieben hat. Genauer gesagt: der Ressource Wasser. Der künftige König ist Fachmann für Wasserökologie, sitzt der UN-Kommission für Wassernutzung vor. Ein Thema, auf das ihn sein 2002 verstorbener Vater Claus gebracht hatte. Auch durch die Geburt der drei Prinzessinnen hat das Paar so viel Sympathie und Vertrauen aufgebaut, dass selbst eine Affäre um eine Luxusvilla im armen Mosambik 2009 keinen bleibenden Schaden hinterließ.

Laut Umfragen gehen zwei von drei Niederländern davon aus, dass er seine Sache als König gut machen wird. Einen kleinen Ausblick hat er bereits gegeben: Etwas volksnäher will er werden, folgt eher dem Vorbild von Großmutter Juliana, die im Supermarkt einkaufen ging. Und er wird sich wohl etwas weniger in die Politik einmischen als seine Mutter Beatrix. Zwangsläufig, denn im vergangenen Jahr hat das Parlament die Befugnisse des Monarchen in der Tagespolitik und bei der Regierungsbildung deutlich beschnitten.

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