Thomas Rühmann: Chefarzt mit Musik im Blut

Millionen Zuschauer kennen ihn aus der ARD-Sachsenklinik. Für Thomas Rühmann selbst ist Fernsehen nicht alles.

Berlin. Er ist seit zwölf Jahren der Fernseharzt der Nation und das deutsche Gegenstück zum amerikanischen TV-Zyniker Dr. House: Der redliche Chefarzt Roland Heilmann aus der ARD-Serie „In aller Freundschaft“, verkörpert vom 55-jährigen Schauspieler Thomas Rühmann. Am Dienstag läuft die 500. Folge des Dauerbrenners.

Herr Rühmann, Fernsehärzte werden ja bisweilen auch im echten Leben um medizinischen Rat gebeten. Ist Ihnen das schon passiert?

Rühmann: Natürlich sagt schon mal jemand zu mir: „Herr Doktor, ich habe Bauchschmerzen, können Sie mir helfen?“ Aber das ist dann als Scherz gemeint.

Wie reagieren die Leute, wenn Sie selber einmal zum Arzt gehen?

Rühmann: Egal ob ich in eine Klinik oder in eine Arztpraxis gehe, ich komme einfach eher dran. Das ist aber im Grunde der einzige Vorteil.

Die amerikanische Serie „Dr. House“ um einen zynischen Krankenhausarzt ist das Gegenteil zu „In aller Freundschaft“. Haben Sie sich die Konkurrenz mal angesehen?

Rühmann: Ich habe mir einige Folgen angeschaut und bin beeindruckt von den sehr guten Drehbüchern und dem filmischen Aufwand. So etwas ist im deutschen Fernsehen nicht machbar. Ich selber gehe kreativ mit den Vorlagen um und spiele gegen die Harmonie an, die Autoren in die Drehbücher schreiben. Ich versuche, das Widersprüchliche an meiner Rolle herauszukitzeln.

Insgesamt opfern sich die Ärzte in der ARD-Serie aber selbstlos für ihre Patienten auf. Ist das realistisch?

Rühmann: Wenn das nicht so wäre, würden die Leute die Serie nicht schauen.

Sie meinen: Eine solche Arztserie bietet den Zuschauern das, was ihnen im wahren Leben fehlt?

Rühmann: Als Schauspieler wünsche ich mir mehr Realitätsnähe, dass aktuelle Diskussionen rund um das Gesundheitssystem ihren Niederschlag finden. Aber die Gesetzmäßigkeiten einer solchen Serie sind anders, und man muss respektieren, dass die Zuschauer einfach zufrieden ins Bett gehen wollen. Also darf zum Beispiel nur einmal im Jahr ein Darsteller sterben.

Hatten Sie als gelernter Theaterschauspieler Berührungsängste, eine Rolle in einer Arztserie anzunehmen?

Rühmann: Nein, gar nicht. Als das Angebot kam, habe ich nicht lange nachgedacht, dass das eher Unterhaltung als hohe Filmkunst ist. Das Fernsehwesen ist nicht dazu da, Schauspielern umfassende künstlerische Erlebnisse zu verschaffen, das hat viel mit Handwerk zu tun. Ich genieße auch die Gelassenheit, die sich im Lauf der Zeit entwickelt hat. Wenn ich mal in einer anderen Produktion mitmache, ist sofort wieder die ganze Aufregung da.

Ab und zu brechen Sie aber aus der Routine aus: Sie betreiben im Dörfchen Zollbrücke im Oderbruch das „Theater am Rand“ und sind mit dem Liederabend „Jung & Young“ als Musiker auf Tournee.

Rühmann: Ich habe im Grunde drei Leben, eines für meine Familie und eines für meine Theaterarbeit, zu der ich auch das Musikprojekt rechne, und eines für die Serie. Ausschließlich Routinearbeit kann ich nur schwer aushalten.

Haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wann und wie Sie aus der Serie aussteigen werden?

Rühmann: Die Frage habe ich mir noch nicht gestellt. Ob dereinst Heilmanns Krebserkrankung zurückkehrt oder er irgendwie zu Tode kommt — das lasse ich auf mich zukommen.

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