Tabea Frey: Eine Pfarrerin für Reisende

Bereits mit 14 Jahren wollte Tabea Frey Geistliche werden. Heute ist die Badenerin die erste Tourismus-Pfarrerin.

Ulm. Weltbekannt ist das gotische Ulmer Münster vor allem wegen seines Kirchturms. Mit mehr als 161 Metern ist er seit seiner Fertigstellung 1890 der höchste Kirchturm der Welt. „Das Münster ist ein Muss für alle Touristen in Ulm und der Region. Wer fit genug ist, möchte unbedingt den Turm besteigen“, sagt Pfarrerin Tabea Frey. Seit 2002 ist die zierliche Blondine aus Baden Tourismuspfarrerin. Das Konzept dafür habe sie selbst entworfen, als sie sich bei der Münstergemeinde beworben hat.

Die 49-Jährige betreut als Gemeindepfarrerin rund 1000 Menschen. Ihr zusätzlicher Aufgabenbereich als Geistliche für Touristen fülle etwa die Hälfte ihrer Arbeitszeit aus. Unterstützt von Ehrenamtlichen leitet sie im Jahr etwa 300 Führungen zu kirchlichen Themen. Darunter sind auch speziellere Führungen, etwa zu den „Verborgenen Räumen“ in den beiden kleinen Türmen, die selten zugänglich sind. Frey koordiniert alle Veranstaltungen, die in der Kirche stattfinden.

Für die Pfarrerin spielt die Seelsorge auch bei Reisenden eine sehr wichtige Rolle. „Meine Mutter ist gestorben, als ich 13 war. Ich befasse mich darum schon lange mit dem Warum, Wieso und Wohin im Leben, und Seelsorge liegt mir“, sagt die Pfarrerstochter, deren Berufswunsch schon mit 14 Jahren unverrückbar feststand. Sie möchte allen, die in der Kirche vorbeischauen, ein Gespräch anbieten. Allerdings ohne „die Menschen zu bedrängen“.

Da sich in Ulm zwei Routen des Jakobswegs nach Santiago de Compostela kreuzen, machten jährlich rund 10 000 Pilgerreisende Station in der Donaustadt, so Frey. Sie seien spirituell interessiert und fragten nach Gebeten, Gesängen, Meditationen oder Führungen.

In der touristischen Hauptsaison von Ostern bis Oktober warten speziell ausgebildete Ehrenamtliche jeden Tag zwei Stunden im großen Kirchenschiff, die Reisende bei Bedarf direkt ansprechen können. Immer wieder komme es vor, dass die Atmosphäre in dem großen und weiten Gotteshaus, das im Mittelalter für 20 000 Gläubige gebaut wurde, in den Menschen etwas anstoße. „Auf Reisen und im Kirchenraum kann etwas aufbrechen“, sagt Frey. Einige suchten dann plötzlich ein Gespräch, das sie so gar nicht geplant hatten.

Je nach Interesse halten sich Besucher zwischen fünf Minuten und zwei Stunden im evangelischen Gotteshaus auf. Meistens wenden sich die Menschen zunächst mit einer Frage zur Kirche an die Seelsorger, wie Frey erzählt. Sie fragten etwa nach der Bedeutung des Weltgefährdungs- und des Weltvollendungsfensters. Daraus könne sich ein persönliches Gespräch ergeben über alles, was die Reisenden bewegt.

Die Gebetswand, an die die Menschen Gebete und Wünsche heften, erwecke immer wieder auch religiöse Bedürfnisse. Die Pfarrerin erinnert sich: „Einmal war eine Gruppe Radler da. Als einer von ihnen an der Gebetswand ein Gebet für ein krankes Kind las, bat er mich darum, mit der Gruppe für sein krankes Enkelkind zu beten.“

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