Sebastian Kasack: Im Grenzgebiet auf Minensuche

Der deutsche Experte Sebastian Kasack (50) hilft in Tadschikistan dabei, das explosive Kriegserbe loszuwerden.

Duschanbe. Im Flur ihres Stabquartiers haben die Minenräumer der Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan eine Sammlung des Schreckens angelegt. Die Sprengsätze, manche klein und in der trügerischen Form grüner Baumblätter, andere so groß wie Konservenbüchsen, die Panzer zerstören können, liegen hier aus. „Alle unscharf — auch die Streubomben“, sagt der Deutsche Sebastian Kasack. Es sind Relikte des Bürgerkriegs von 1992 bis 1997 mit Zehntausenden Toten in dem mittelasiatischen Land.

All das, was die Minensucher in dem Hochgebirgsland an der Grenze zu Afghanistan und Usbekistan finden, stamme aus sowjetischer oder russischer Produktion, sagt der 50-jährige Kasack. Er ist leitender technischer Berater hier im tadschikischen Anti-Minen-Zentrum, das zum Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) gehört.

Die rund 200 Mitarbeiter setzen auch Spürhunde und Maschinen ein, um die einst von russischen Streitkräften an der Grenze zu Afghanistan gelegten Minen zu finden. „Besonders in den schwer zugänglichen Bergregionen ist weiter Handarbeit gefragt“, sagt Kasack. Auch Zivilisten nähmen die Gefahr auf sich, um mit der Räumarbeit Geld zu verdienen.

Russland habe den Experten Kartenmaterial und Informationen zu den verminten Gebieten übermittelt, so Kasack. Vor einer Karte erklärt er, wo die tödlichen Gefahren lauern: Vor allem im Hochgebirge und an der afghanischen Grenze. Hunderttausende Menschen leben demnach in den „verseuchten“ Gebieten. Der tadschikische Streifen an der Grenze zu Usbekistan sei sauber, doch lägen auf der anderen Seite weiter Minen.

Gefährdet durch die Sprengsätze sind in Tadschikistan besonders Schäfer mit ihren Herden im Pamirgebirge oder Holz- und Kräutersammler. „Es sind die Ärms- ten der Armen, die dort leben“, sagt Rejchan Muminowa, die in dem Anti-Minen-Zentrum für die Opferhilfe zuständig ist. 500 Menschen, die durch Explosionen verstümmelt und psychisch traumatisiert seien, müssten mit Prothesen und Medikamenten versorgt werden. Und sie seien auf wirtschaftliche Hilfe angewiesen.

„Wir geben ihnen Schafe, damit sie eine Zucht beginnen können — und für den Anfang auch Lebensmittelhilfe, damit sie die Tiere nicht gleich aufessen“, sagt Muminowa. Aber auch Nähmaschinen oder Bienenstöcke gebe es für die Start-ups. Um Hilfe zum Überleben gehe es. Die staatliche Behindertenrente liege umgerechnet im Schnitt nur bei ein paar Dutzend Euro, sagt Muminowa.

Knapp zwölf Quadratkilometer einst verseuchtes Land seien heute wieder freigegeben, gesäubert von Zehntausenden Minen, anderen Sprengsätzen und Munition. Rund 15 Quadratkilometer müssten noch gereinigt werden. Tausende Zeichen warnen in den betroffenen Gebieten vor der Gefahr. Entwicklungshelfer Kasack, der sein Leben in Bonn und Berlin für die internationalen Hilfseinsätze vorerst aufgegeben hat, sagt, dass das mit jährlich rund fünf Millionen US-Dollar geförderte Anti-Minen-Programm hier bis 2020 laufen soll.

Das bitterarme Land will nicht zuletzt den Tourismus in den malerischen Regionen des Pamirgebirges sowie die Landwirtschaft weiter entwickeln. Dafür muss Tadschikistan minenfrei werden. Kasack hofft, dass das UN-Zentrum in der Hauptstadt Duschanbe von der autoritären Führung des Landes zu einer nationalen Organisation umgewandelt wird. So könne dann künftig auch die Arbeit besonders mit den Überlebenden weitergehen.

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