Samantha Cameron: Ein Hippie aus bester Familie

Samantha Cameron, Frau des britischen Oppositionsführers, macht Wahlkampf wie Michelle Obama.

London. Auf der Parteitagsbühne präsentierten die Konservativen gerade ihre Vision für die nächsten Jahre: Von einer Renaissance des Industriesektors und der Schaffung von Arbeitsplätzen. Doch dann stöckelte Samantha Cameron ins Rampenlicht des Konferenzzentrums Manchester, und die Ideen der Opposition waren plötzlich Nebensache.

Das Land sprach am nächsten Tag nur über ein Thema: Mrs. Camerons graues Etuikleid mit den weißen Punkten für sparsame 65Pfund und die Frage, ob sie bald in die Downing Street10 umzieht.

Die 38-Jährige hat bisher kaum Medienpräsenz gezeigt. Sie arbeitet als ambitionierte Managerin bei der Luxusmarke Smythson und ist Mutter von drei Kindern - eines starb im Februar 2009 schwerstbehindert.

Doch seitdem die Tories ihren Vorsprung vor Labour rasant verlieren, tritt "Sam-Cam" als Geheimwaffe an. Jetzt folgte sie dem Beispiel von Michelle Obama, die im US-Wahlkampf ihren Mann als Kumpel-Typ inszenierte, der sicher nicht perfekt, aber doch frei von großen Charakterfehlern ist.

"Ich kann ehrlich sagen, dass Dave mich in all den Jahren noch nicht ein Mal hat hängen lassen", sagte Cameron im ersten Fernsehinterview ihrer 14-jährigen Ehe. Dabei habe er "wie wohl jeder Ehemann einige lästige Angewohnheiten".

Cameron, der Labour-Premier Gordon Brown im Sommer ablösen will, "räumt beim Kochen nie die Küche auf. Er lässt seine Klamotten herumliegen. Er zappt beim Fernsehgucken hin und her. Und ich muss ihn davon abhalten, ständig mit dem Blackberry zu spielen. Sie wissen schon: So was nervt total".

Mit dem vorsichtig orchestrierten Interview dürfte Samantha Cameron dem Politikergatten unschätzbare Hilfe geleistet haben. Sein fehlerfreies Auftreten wirkt oft eindimensional und beliebig - eine offene Flanke, auf die Brown zielt, wenn er den Konkurrenten als "aalglatten Gebrauchtwagenhändler" verspottet.

Denn ein Blick nach Frankreich und in die USA zeigt, dass es bei Wahlen längst nicht mehr nur um den besten Politiker, sondern zunehmend um die Ausstrahlung der Ehefrau geht.

Cameron verbindet einiges mit Michelle Obama und Carla Bruni. Die Engländerin meistert parallel zur Familie eine eigene Karriere. Sie gilt als "Hippie der Oberschicht" - die Tochter eines Großgrundbesitzers und einer Baronin hat zu Studienzeiten in Bristol regelmäßig Billard mit dem Rapper Tricky gespielt und sich ein Delfin-Tattoo stechen lassen.

Aufgewachsen ist Samantha in Normanby Hall in Oxfordshire - die Ländereien sind seit dem 16. Jahrhundert in Familienbesitz. Sie hat teure Privatschulen besucht, Kunstgeschichte studiert und sich 1996 mit David Cameron verlobt, der damals schon für den Schatzkanzler von Westminster gearbeitet hat.

Im gleichen Jahr übernahm sie bei Smythson auf der Bond Street das Innendesign. Heute ist sie in dem Laden, dessen Markenzeichen Notizbücher mit Ledereinband ab 200 Euro sind, die Kreativchefin. Für ihre Vier-Tage-Woche pendelt sie mit einem Roller in die Innenstadt. In ihrem Job dürfte sie etwa doppelt so viel verdienen wie er.

Ihre pfiffig-elegante Garderobe mit dem sehr englischen Hang zu erfrischenden Farben sorgt regelmäßig für Aufsehen. Sie selber bewundert Rockstar Gwen Stefani. "Ihre blonden Haare wollte ich immer haben", sagte Cameron kürzlich, "es wäre toll, wenn ich so aussehen könnte wie sie." Eine neue Frisur kann Mrs. Cameron allerdings erst riskieren, wenn Gatte David die Wahl verliert.

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