Porträt Tilmann Waldthaler: 430.000 Kilometer im Radsattel

1977 ist der gelernte Koch Tilmann Waldthaler mit dem Rad aufgebrochen. Es gibt kaum ein Land, in dem er noch nicht geradelt ist. Jetzt steht seine letzte große Tour bevor.

Düsseldorf. "Viele Menschen gaukeln sich ihre Freiheit nur vor, weil sie nicht bereit sind, aufzubrechen", sagt Tilmann Waldthaler.

Er ist kein Mensch, den es lange an einem Ort hält. Schon kurz nach seiner Koch-Lehre zieht es ihn hinaus in die Welt. Er arbeitet als Patissier in Südafrika, kocht in Australien und backt für die US-Armee in der Antarktis Apfelstrudel und Sachertorte.

"Ich habe in einem Hotel direkt an den Victoria Falls gearbeitet, das war traumhaft schön, aber jeden Tag aus dem Fenster zu gucken und die gleichen Wasserfälle zu sehen, wird irgendwann langweilig", sagt Waldthaler.

Entscheidend wird für ihn Mitte der 70er Jahre eine Begegnung in der australischen Wüste. Dort trifft er einen Mann, der mit dem Rad durch die Welt reist. "Ich war sofort fasziniert, weil es meinem Ideal von Freiheit entsprochen hat." 1977 investiert er sein ganzes Geld in ein maßgefertigtes Tourenrad und lässt sich von einem Sattler Radtaschen aus Lkw-Plane nähen.

Vom südlichsten Punkt Neuseelands startet Waldthaler seine erste große Tour. "Ich bin einfach immer in Richtung Norden gefahren und habe mich langsam über Australien und Asien in Richtung Europa vorgearbeitet." Seitdem ist Waldthaler mit dem Rad unterwegs, inzwischen hat er mehr als 430.000 Kilometer im Sattel zurückgelegt. Es gibt kaum ein Land, in dem er noch nicht geradelt ist.

Das Geld für seine Reisen verdient sich der Mann mit dem Rauschebart immer wieder vor Ort mit verschiedenen Jobs. "Es ist die ultimative Freiheit, wenn man dahin gehen kann, wohin man will, wenn man arbeiten kann, wo und wann man will, und wenn man entscheiden kann, mit wem man zusammensein will und mit wem nicht", sagt Waldthaler.

Inzwischen hat er aus dem Radfahren einen Beruf gemacht, schreibt Bücher und Artikel für Radmagazine. Geld verdient er auch, indem er für große Firmen neue Produkte unter Extrembedingungen testet.

Doch nicht immer läuft alles nach Plan. Etwa, als er bei seiner ersten Tour in den Iran kommt. "Das war kurz nach der Rückkehr von Ayatollah Khomeini, da haben sie Jagd auf jeden gemacht, der westlich aussah", erinnert sich der heute 68-Jährige. Nach 35 Jahren im Radsattel bricht Waldthaler am 20. Mai zu seiner letzten großen Tour auf.

Sie führt ihn vom Nordkap übers Baltikum, Polen, Deutschland und Südtirol nach Osteuropa und von dort über den Nahen Osten, Asien und Australien nach Neuseeland, wo 1977 alles begonnen hatte.

"Wenn alles klappt, komme ich genau zu meinem 70.Geburtstag an", erklärt Waldthaler, der danach in seiner australischen Wahlheimat mit seiner Frau den Ruhestand genießen möchte.

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