Porträt: Der echte ziemlich beste Freund

Die Geschichte von Taugenichts Abdel und Millionär Philippe rührte Millionen Menschen im Kino zu Tränen.

Paris. Vor ein paar Jahren hätte nicht viel gefehlt, und sein Leben hätte eine tragische Wendung genommen. Damals in Paris, wo Abdel, der Vorstadt-Taugenichts, zuerst die Schule schwänzte und dann auf Diebstähle abonniert war. Um ein Haar wäre aus dem Spitzbuben mit zehn Monatiger Knast-Erfahrung ein Gangster geworden — wäre er nicht Philippe Pozzo di Borgo über den Weg gelaufen. Den Mann, über den er heute sagt: „Monsieur Pozzo ist einfach ein Freund. Der erste. Der einzige.“

Die Freundschaft zwischen Philippe und Abdel, zwischen dem querschnittsgelähmten französischen Aristokraten und dem algerischen Kleinganoven, diente als Vorlage für den französischen Kinofilm „Ziemlich beste Freunde“. Ein turbulente Komödie, die auf einer wahren Begebenheit beruht und Kinobesucher auf beiden Seiten des Rheins seit Monaten fasziniert.

Der echte Philippe wird im Film von François Cluzet gespielt und Abdel alias Driss von Omar Sy. „Der kleine Araber mit dem Bauchansatz ist vielleicht nicht ganz so sympathisch wie der Schwarze mit den Diamantenzähnen“, schreibt Sellou in seiner Autobiografie. Aber ansonsten, erfährt der Leser, herrsche viel Übereinstimmung zwischen Driss und Abdel. „Ich war genauso unbekümmert, fröhlich, faul, selbstverliebt, aufbrausend. Aber nicht böse“, fügt Abdel hinzu.

Als er vier Jahre alt ist, schicken ihn seine leiblichen Eltern nach Paris, um ihn bei Verwandten aufwachsen zu lassen. Doch in der Fremde fühlt sich der Knabe vernachlässigt, zusehends versinkt der Vorstadtjunge immer tiefer im Schlamassel. Bis Philippe Borgo di Pozzo, der nach einem Paragliding-Unfall Querschnittsgelähmte, einen ständigen Begleiter („eine Art Lebenshilfe“) sucht.

Wie im Film trottet Abdel, damals 24, nur deshalb zum Bewerbungsgespräch ins elegante 16. Arrondissement, um sich eine Absage und einen unterschriebenen „Amtswisch“ fürs Arbeitsamt abzuholen. Doch dann geschieht das Wunder: Abdel bekommt den Job. Doch wird das ungleiche Paar — der Edelmann und der Ganove — harmonieren? Und wie die Sache klappt: Zehn Jahre lang wird Abdel Sellou nicht von Philippes Seite weichen.

Der Aristokrat, bis zu seinem Unfall Chef des Champagner-Hauses Pommery, leidet an Tetraplegie. Weil er vom Hals abwärts gelähmt ist, kann er weder Arme noch Beine, sondern lediglich den Kopf, die Augen, die Lippen und die Zunge bewegen kann. Im Tonfall des Straßenjungen erklärt Abdel die Krankheit so: „Er ist ein Hampelmann, der spricht, ein Toter mit funktionierendem Kopf“.

Anders als im Film lernt Abdel seinen Chef nicht als Witwer kennen. Was im Film Komödie ist, erweist sich im richtigen Leben als Drama. Aus nächster Nähe erlebt Abdel, wie der ohnehin schon vom Schicksal gezeichnete Philippe auch noch seine unheilbar krebskranke Ehefrau Béatrice, eine blühende Frau von vierzig Jahren, verliert. „Abdel hat mich nach ihrem Tod aufgefangen und in mir die Freude am Leben wieder erweckt“, sagt di Borgo. Ein Kompliment, das sein Freund zurückgibt: „Er hat mir seinen Rollstuhl wie eine Krücke angeboten, auf der ich mich abstützen konnte.“

Der Film schließt mit einem Happy End — wie im richtigen Leben: Di Borgo, inzwischen sechzig, lebt in Marokko, ist verheiratet und hat jetzt zwei Adoptivkinder. Abdel pendelt zwischen Algerien und Paris. Und besucht immer wieder seinen Freund.

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