Philipp Köster von 11 Freunde - er gibt dem Wahnsinn eine Heimat

Vom Fußball-Anhänger wurde Philipp Köster zum Gründer und Macher des Magazins „11 Freunde“. „Wir haben die Selbstironie des Fan-Daseins entdeckt“, beschreibt er den Erfolg.

Düsseldorf. Früher waren es Pelé oder Beckenbauer, heute sind es Ribéry oder Messi. Fußballer, die mit der Pille umgehen können, wahre Künstler am Ball, faszinieren die Fans. Nicht so Philipp Köster - dem Chefredakteur des Fußballmagazins "11 Freunde" gefallen unbequeme Spieler, die auch mal raubeinig zu Werke gehen.

"Einer wie Karl Allgöwer", sagt der Journalist, während er seine Brille von der Nase nimmt und sich nachdenklich die Augen reibt. "Der war kein Techniker, aber trotzdem ein besonderer Typ, auf und neben dem Platz."

So habe der Mittelfeldspieler, von 1980 bis 1991 in Diensten des VfB Stuttgart, in der Kabine schon Mal ein SPD-Plakat aufgehängt, um seinen Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder - damals CDU-Finanzminister in Baden-Württemberg - zu ärgern. "Mit so einem kann ich mich identifizieren", sagt Köster.

Der 36-Jährige gründete im Jahr 2000 gemeinsam mit seinem Freund Reinaldo Coddou das "11 Freunde"-Magazin. Zum Start wurden knapp 1500 Exemplare verkauft.

Mittlerweile hat das Monatsmagazin eine Auflage von 110000. "Vom Sonderheft zum Bundesligastart gibt es 220000 Exemplare", ergänzt der Chefredakteur mit Stolz.

"Der Erfolg des Magazins liegt darin, dass die Leser mit uns die Selbstironie des Fan-Daseins entdeckt haben", glaubt Köster. "Tausende fahren durch die ganze Republik zu den Auswärtsspielen ihres Vereins, um zum Beispiel mitten im November 0:1 in Cottbus zu verlieren.

Das ist Wahnsinn, aber die Fans wissen, dass sie wahnsinnig sind." Das bringt "11 Freunde" zum Ausdruck, fernab von der Ergebnisberichterstattung anderer Magazine.

Köster ist einer dieser Wahnsinnigen. 1982 wurde er mit dem Virus infiziert. Da stand er zum ersten Mal im Stadion von Arminia Bielefeld. Eigentlich war der damals Zehnjährige noch Fan des VfB Stuttgart mit dem schon erwähnten Karl "Knallgöwer" Allgöwer und Karl-Heinz "Fieser Mittelscheitel" Förster.

"Die Stimmung in Bielefeld war aber einfach klasse. Die alte Holztribüne der Alm schwankte bei jedem Tor. Da hat es mich einfach gepackt", erinnert sich ein begeisterter Köster.

Als Jugendlicher sah er dann ab 1988 jedes Spiel der Arminia. "Das waren die schlimmsten Zeiten in der Amateur-Oberliga, aber rückblickend vielleicht die schönsten Fan-Jahre."

Die gemeinsamen Erlebnisse aus dieser Zeit brachten ihn und Freund Coddou 1995 auf die Idee, ein sogenanntes "Fanzine" zu machen. Zunächst nur für die Arminen. Das Blatt mit dem Titel "Um halb vier war die Welt noch in Ordnung" wurde vor dem Stadion verkauft. Daraus entstand "11 Freunde"- für alle, die Spaß am Fußball haben.

Zwei Jahre lang verschickte das Duo die Hefte selbst. In Coddous Wohnung wurden die Ausgaben zwei Tage lang am Stück eingetütet. "Das Geräusch, wenn man diese Einpack-Folie von der Rolle abgerissen hat, werde ich nie vergessen.

Einfach furchtbar", denkt Köster zurück. 2002 stieg endlich ein Verlag mit ein. "Da hatten wir Glück, es hatten sich nämlich schon 45000Euro Schulden bei einer Druckerei angehäuft."

Heute ist das anders. In der Redaktion, die in einem Altbau im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg residiert, arbeiten etwa 18Leute. Einige von ihnen standen schon mit Köster auf der schwankenden Holztribüne der Bielefelder Alm. Die 10-Uhr-Konferenz gleicht einem Austausch unter Fans.

Köster, 2006 als "Bester Magazinjournalist" vom Helios Media-Verlag ausgezeichnet, hat zwar das Sagen, stellt sich aber nicht über die Kollegen. Alle duzen sich, wie es unter Fußballern üblich ist. Jeder darf das sagen, was er denkt. Das wirkt, ähnlich wie die Ordnung auf den Schreibtischen, etwas chaotisch. Aber vielleicht ist es genau das, was "11 Freunde" ausmacht - das kreative Chaos.

"Da ist was dran", meint Köster, während er in seinen Frühstücksbagel beißt. "Jeder hat seine Freiheiten." Ganz zufrieden ist der Chef damit aber nicht: "Etwas mehr Professionalität würde uns gut tun." Zurückblickend auf den sommerlichen Stress mit Sonderausgaben zur EM und zum Bundesligastart sieht er die Redaktion aber auf dem richtigen Weg: "Da haben wir in meinen Augen einen richtig guten Job gemacht."

Und wie sieht das Leben des Wahl-Berliners neben "11Freunde", seinen Kolumnen in anderen Zeitungen und den erfolgreichen Büchern wie "Ballgefühl und Rassehasen" aus?

"Sehr ruhig und ohne Fußball", sagt der zweifache Vater. "Wenn ich am Abend nach Hause komme, will ich nicht mehr über Fußball reden." Da stehen seine Söhne (zwei und vier Jahre alt) und seine Frau im Mittelpunkt.

Als er seine Traumfrau kennenlernte, habe er sogar darauf geachtet, dass sie sich absolut nicht fürs Kicken interessiert. "Aussehen und Charakter sind egal. Hauptsache, sie hat keine Ahnung von Fußball", scherzt Köster.

Das Abschalten fällt dem Mitdreißiger schwer. Im Urlaub dauere es immer drei oder vier Tage bis er nicht mehr an die nächste Ausgabe denke. Das sei ihm früher nicht passiert. Im Studium habe er oft einfach mal drei Tage lang nur rumgehangen und in die Glotze geschaut.

"Diese Zeit des Rumdämmerns vermisse ich heute." Auch weil ihm in diesen "Ruhephasen" immer viele Ideen gekommen seien. Das Studium (Deutsch und Geschichte) hat er nie abgeschlossen. "Meine fast fertige Magisterarbeit liegt zu Hause. Ich habe sie nie abgeschickt." Mitten in die Prüfungszeit fiel der Anfang von "11 Freunde" - und die Zeit reichte nicht für beides.

Der Fußball-Fachmann sieht sich selbst als "einen nicht sonderlich speziellen Menschen". Als er das sagt, erinnert er sich an eine Episode, die ihm einmal auf einer Lesereise passiert ist. Da habe ihn ein Journalist wohl mal ganz genau unter die Lupe nehmen wollen.

"Das Image eines Jung-Juristen kann Köster nicht ablegen, wenn er seine Designerbrille hochschiebt", stand nach seinem Auftritt in einem Artikel. "Da hatte ich statt meines schwarzen Hemdes, das schmutzig war, mal ein weißes an.

Das wirkte auf den Kollegen wohl etwas zu formell. Jedenfalls habe ich herzlich gelacht." "Formell", ein Wort mit dem sich Köster so gar nicht identifizieren kann. Dann schon eher mit "unbequem" - so in die Richtung Karl Allgöwer.

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