Marco Bülow: Er will mehr sein als ein Abnicker

Interview: Der SPD-Abgeordnete Marco Bülow beschreibt seinen Frust über die Selbstentmachtung des Bundestags.

Berlin. Der Dortmunder Marco Bülow ist seit 2002 SPD-Abgeordneter im Bundestag. Ein unzufriedener, glaubt man seinem Buch "Wir Abnicker". Darin beklagt der 38-Jährige einen Machtverlust des Parlamentes, weil der Einfluss der Abgeordneten sinke - und der Einfluss der Lobbyisten zunehme.

Bülow: Ja, ganz normal. Warum?

Bülow: Manche frotzeln. Die, die sich direkt an mich wenden, klopfen mir auf die Schulter. Kritik kommt ja nie direkt. Das erfahre ich dann über Dritte. Das ist schade.

Bülow: Ich lehne sie nicht generell ab, weil natürlich Mehrheiten für Vorhaben der Regierung sichergestellt werden müssen. Ich lehne aber eine übertriebene Fraktionsdisziplin ab. Es muss einen Zwischenweg zwischen Disziplin und der Gewissensfreiheit geben. Dazu gehört, dass eine Regierungsfraktion nicht immer nur so entscheidet, wie es die Regierung vorgibt. Und dazu gehört auch, dass aus der Fraktion eigene Initiativen kommen und nicht nur aus den Ministerien oder - noch schlimmer - aus externen Beratergremien.

Bülow: Das Wort "alternativlos" gefällt mir gar nicht. Es gibt immer Alternativen. Es ist nur die Frage, welche Entscheidung besser oder schlechter ist. Und das muss die Fraktion entscheiden.

Bülow: Zum einen daran, dass er völlig intransparent ist. In den USA muss jeder Lobbyist registriert werden. Bei uns ist das freiwillig. Im Bundestag sind rund 2000 Lobbyisten registriert. Nach Schätzungen versuchen aber 5000 oder mehr, Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen. Hinzu kommt, dass Lobbyisten auch an Gesetzentwürfen mitschreiben. Und die Beeinflussung der Abgeordneten nimmt zu.

Bülow: Wir brauchen ein verpflichtendes Register wie in den USA. Wenn es eine aktive Mitarbeit an Gesetzentwürfen gibt, muss das ebenfalls transparent gemacht werden. Wir Abgeordneten sind gefordert, dass wir uns nicht nur Zeit für die professionellen Lobbygruppen nehmen, die zu Veranstaltungen einladen, sondern dass wir uns auch für die Anliegen der Menschen interessieren, die weniger organisiert sind. Wir dürfen nicht in die "Wohlfühl-Falle" der Lobbyisten tappen.

Bülow: Der Bundestag ist als gewählte Vertretung der Bürger das Zentrum der politischen Entscheidung. Faktisch ist er das aber nicht mehr. Das schürt die Politikverdrossenheit. Und es stärkt diese Stammtisch-Auffassung, dass Regierungen machen, was sie wollen.

Bülow: Wir müssen dem Lobbyismus Grenzen setzen. Und wir müssen selbstbewusster gegenüber Regierung und Fraktionsspitze werden. Das heißt, dass die Fachpolitiker in den Fraktionen deutlich Einfluss gewinnen. Und dass mehr über die Sache und weniger über Strategie und Taktik gesprochen wird.

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