Buch Manuel Andrack als Fußballfan: „Von oberkörperfrei bis absolut ausrasten“

Einst war Manuel Andrack Sidekick und Autor von Harald Schmidt. Heute schreibt er Bücher wie das neueste über Fußball-Fans: „Lebenslänglich Fußball“. Und er schreibt über sich selbst.

Mit Harald Schmidt wurde er berühmt, heute wandert er und schreibt Bücher: Manuel Andrack. (Archivfoto)

Mit Harald Schmidt wurde er berühmt, heute wandert er und schreibt Bücher: Manuel Andrack. (Archivfoto)

Foto: Kreis Mettmann

Düsseldorf. Einst war Manuel Andrack Sidekick und Autor von Harald Schmidt. Heute schreibt er Bücher wie das neueste über Fußball-Fans: „Lebenslänglich Fußball“. Und er schreibt über sich selbst.

Herr Andrack, in Ihrem neuen Buch „Lebenslänglich Fußnall“ schrieben Sie über ganz verschiedene Arten von Fußball-Fans und ordnen Sie auch mit Hilfe von Psychologengesprächen ein. Welcher Typ ist Ihnen selbst denn ganz nah?

Andrack:
Ich ordne mich nirgendwo bei den ganz Krassen sein. Weder Ultra noch Mecker-Opa oder Allesfahrer. Und erst recht nicht Poly-amourös. Ich bin auch keiner von denen, die in meinem Alter sagen: Och ja, man wird ja auch ruhiger, früher auf dem Zaun gehangen und Platzsturm, heute lieber gemäßigter Sessel-Fan. Das ist bei mir exakt umgekehrt. ich habe meinen festen Kreis in Köln, mit dem ich auch gerne auswärts dabei bin. Und: Von oberkörperfrei bis absolut ausrasten und den Schiedsrichter beschimpfen — das ist bei mir inzwischen alles drin.

So hatten wir Sie gar nicht eingeschätzt. Als Sidekick von Harald Schmidt waren Sie so gemäßigt unterwegs.

Andrack:
Damals war ich noch seriös. Vielleicht ist das psychologisch sogar interessant: Vielleicht konnte ich durch die tägliche Show einiges loswerden, was ich heute mit ins Fußballstadion schleppen muss.

Interessant.

Andrack:
Ja. Ich bin übrigens auch noch Scheuklappen-Fan, der sich über den 1. FC Köln hinaus für gar nichts anderes interessiert. Ich glaube, das geht vielen so. FC? Fanatisch, jedes Spiel, jede Berichterstattung. Ich war gerade wieder in der letzten Saison nah dran, gegenüber meiner Familie habe ich dann immer so getan, als müsste ich für das Buch arbeiten. Aber von den anderen Spielen weiß man dann bestenfalls, ob sie dem FC geschadet haben oder nicht. Einzig drücke ich Teams wie St. Pauli in der 2. Liga die Daumen, weil ich dann denke: Jawoll, nächste Saison eine tolle Auswärtsfahrt mehr. Als Modeste nach Köln kam, hatte ich nie von dem gehört. Ein Ersatzspieler aus Hoffenheim, so so.

Jetzt müssen Sie sich mit Cordoba beschäftigen.

Andrack:
Ich bin insofern ruhiger geworden, dass ich mich an dem Pseudo-Expertengespräch der Fans nicht mehr beteilige. Es ist ja eine Gnade, dass ich seit Jahren im Saarland wohne und nicht mehr in Köln. Ich bekomme den ganzen Müll aus den Boulevardzeitungen nicht mehr mit. Total erholsam. Mein Motto: I believe in Schmaddi (Ich glaube an Schmadtke). Der leitet das in richtige Wege, da muss nicht jeder Schritt für mich nachvollziehbar sein.

Und Modestes Abgang hat nicht weh getan?

Andrack:
Ich hätte noch ein bisschen länger gezockt. Zum Transferschluss werden sie alle nervös, da werden noch mal unfassbare Summen aufgerufen. Ein schöner Satz im Buch von Ihnen lautet: Seinen Club begehrt man immer noch mehr, je öfter man von ihm abgewiesen wurde — durch steten Misserfolg. Andrack: Es gibt ja ohnehin nur vier, fünf Vereine in einer Saison, bei denen die Fans nach einer Saison glücklich sind. Alle anderen leiden.

Leidet man nicht eigentlich gerne?

Andrack:
Glaube ich nicht. Deswegen hat der Maso-Fan auch kein Kapitel in meinem Buch. Wenn es nicht richtig weh tun würde, würde ja auch die Freude nicht so groß sein können. Zuletzt bei mir am Ende der vergangenen Saison, als wir Kölner mit dem Sieg gegen Mainz in die Europa League eingezogen sind.

Haben Sie sich auch ein Stück Rasen mitgenommen?

Andrack:
Nein. Aber den Tag habe ich unfassbar genossen. Nach dem Schlusspfiff habe ich fünf Minuten so dermaßen geheult wie bei keinem der Abstiege. Da fiel eine Vierteljahrhundert-Schmach von mir ab.

Was machen die wahnsinnigen Transfersummen der vergangenen Wochen mit Ihnen?

Andrack:
Von den 222 Millionen für Neymar sind wir in Köln ja auch noch weit entfernt (lacht). Aber es ist viel Geld im Fluss, davon können ja auch viele profitieren. Der FC hat als erster Verein in der Bundesliga-Geschichte mehr als eine Million ausgegeben, damals für war Roger van Gool, einen Belgier. Der Club wurde hart kritisiert. Noch schlimmer war es, als der FC als erster eine Million für einen Abwehrspieler ausgegeben hat, damals für Jürgen Kohler von Waldhof Mannheim. Es galt das ungeschriebene Gesetz, dass man keinen Verteidiger kauft, sondern sich die Hacker und Terrier selbst ausbildet.

Die Nullen der Summen haben sich vermehrt.

Andrack:
In Spanien ist eine Ausstiegsklausel ja generell Vertragsbestandteil. Das ist dort Pflicht. Da schreiben die Phantasie-Summen rein. Im Fall von Neymar haben sie sich wahrscheinlich über ihre Schnapszahl kaputtgelacht. Und jetzt ärgern sie sich, dass sie nicht 333 oder 666 reingeschrieben haben. Aber ehrlich: Das interessiert mich nicht.

Wie sieht ein Tag aus, an dem Sie ins Stadion gehen?

Andrack:
Eineinhalb Stunden vorher am Stadion, gerne auch noch zwei Stunden nach dem Spiel. Mit Bierchen und Freunden. Ich habe einen Sitzplatz und finde ihn super, gleich oberhalb der Südkurve. Die vertrauten Gesichter um mich herum zu haben, das wiegt den möglichen Stimmungsverlust auf. Auswärts aber immer: stehen.

Und was sagt Ihre Frau zur Leidenschaft?

Andrack:
Es war gut, dass sie am 20. Mai gegen Mainz dabei war. Da war das ganze Stadion voller Liebe, das hat auch sie angerührt. Jetzt will sie auch mindestens ein Europapokalspiel erleben.

Ihre beste Fußball-Erinnerung?

Andrack: 1990 mit der Nationalmannschaft in Rom Weltmeister zu werden, das war nicht so schlecht. Was den FC angeht: Aufstieg in Aue am Montagabend 2005. Tore von Springer und Ebbers nach 0:1-Rückstand. Danach tanzten wir mit den Spielern auf dem Platz.

In den vergangenen Wochen standen die Ultras wieder im Blickpunkt. Wie stehen Sie zu dieser „Bewegung“?

Andrack:
Die lassen sich ja nun nicht alle über einen Kamm scheren. Prinzipiell sympathisiere ich mit der Ultras-Ursprungsidee, die hat ja auch die Hooligan-Gewalt abgelöst. Aber: Alles, was verboten ist, ist verboten. Ich hebe sicher nicht die Hand, wenn es heißt, Pyrotechnik ist kein Verbrechen oder Gewalt gegen Polizisten ist in Ordnung. Von dem Gewaltthema habe ich mich in dem Buch ja auch klar distanziert, weil es eben auch 99,9 Prozent der Fußball-Fans nicht interessiert. Selbst unter den Ultras ist es ja ein Minderheitenthema.

Viele erinnern sich an Sie über die Zeit der Harald-Schmidt Show.

Andrack:
Die gute alte Zeit. Eigentlich war das ja Ende 2003 vorbei mit mir und Schmidt. Das ist jetzt 14 Jahre her. Meine inzwischen 25-jährige und älteste Tochter schaut sich immer noch gerne alte Folgen an. Das freut mich, weil der Humor heute noch funktioniert. Aber ich weine dem nicht hinterher. Es war eine super Zeit, heute ist es eine andere.

Haben Sie noch Kontakt zu Harald Schmidt?

Andrack:
Nein.

Können Sie sich vorstellen, noch einmal so etwas aufleben zu lassen?

Andrack:
Das kann ich mir auch nicht mehr vorstellen. Da wächst man eben auch raus. Ich bin natürlich auch nicht der, der allein den Laden schmeißt. Und als weltbester Sidekick dort mit 52 bis 60 zu sitzen, das muss nicht mehr sein.

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