Lucia Aliberti: Primadonna mit Hang zur Dramatik

Die Sopranistin Lucia Aliberti (55) gibt ungern das Zepter aus der Hand. Am Dienstag kommt sie nach Düsseldorf.

Düsseldorf. „Welch ein gut aussehender und eleganter Mann!“ Lucia Aliberti lächelt kokett, ihre dunklen Augen blitzen. La Signora weiß zu flirten — oder sollte es „nur“ der Versuch sein, den Berichterstatter statt mit Koloraturen durch Komplimente für ein wohlwollenden Text zu umgarnen, weniger freundliche Fragen in diesen feurigen Blicken zu verbrennen? Schwer ist es schon, im Angesicht dieser Frau die kritischen Gedanken zu wahren.

„Sind Sie eine Primadonna, Frau Aliberti?“ Das Lächeln weicht für einen Moment aus ihren feinen Zügen. „Primadonna in dem Sinne einer Darstellerin großer Rollen — Lucia, Norma, Violetta: Ja, sicher. Aber Primadonna im Sinne eines kapriziösen, divenhaften Charakters? Nein.“ Und schon funkelt es wieder in ihren Augen wieder.

Welche Primadonna lässt sich auch gern Extravaganzen nachsagen Versuchen wir es also mit einer Definition: Was charakterisiert denn eine Primadonna über die Strenge und Disziplin mit sich selbst hinaus? „Stimme, Timbre, schauspielerische Fähigkeiten, Charakter, Charisma — und sie muss positiv denken.“ Ob sich das lernen lässt?

Begabt war das Mädchen aus Messina schon als Kind. Mit 14 Jahren kam Lucia ans Konservatorium, verlor dann ihr Herz an den Gesang. 21-jährig gewann Signorina Aliberti den Wettbewerb im italienischen Spoleto, debütierte dort 1979 als Amina in „La Sonnambula“. Die Erfolgstür war geöffnet, die Belcantistin triumphierte fortan an allen großen Opernhäusern der Welt.

Catalani, Donizetti, Verdi, die nun auch bei ihrem Konzert in Düsseldorf mit dem Württembergischen Kammerorchester unter Ruben Gazarian auf dem Programm stehen: Innig und tief empfunden, brillant, virtuos, stets mit einem Hang zur Dramatik — doch immer Belcanto pur. „Ich bin eine Puristin und schaue, was für mich und meine Stimme gut ist.“ Ein kluger Umgang mit dem eigenen Vermögen, den sie als Schülerin des berühmten spanischen Tenors Alfredo Kraus lernte: „Du musst deine Stimme jung halten — das ist das ganze Geheimnis, hat er mir immer wieder gesagt. Morgens nicht zu früh aufstehen, nicht jeden Tag singen, nicht rauchen und vor allem der Stimme Zeit zum Erholen geben.“

„Letzte Frage“, ertönt die Stimme ihres Managers. Schon? „Stört es Sie nicht, dass die Welt so schnelllebig geworden ist und wahre Kunst kaum noch geschätzt wird?“ Und da taucht sie dann doch noch für einen kurzen Moment auf, die Primadonna jenseits des Gesangs. „Natürlich würde ich lieber im 18. Jahrhundert leben, mit rauschenden, langen Kleidern, Kutschen und Pferden — das wäre ein Traum, denn das war schon eine sehr romantische Zeit.“

Für einen Augenblick wandert ihr Blick sehnsuchtsvoll aus dem Fenster hinaus in den strahlend blauen Himmel. Liebt sie nur romantische Rollen oder ist die so strenge, disziplinierte Frau am Ende selbst auch eine große Romantikerin? Aliberti lacht. „Sie sehen wirklich sehr schick aus.“ Und schon im Gehen, wendet sie sich noch einmal um und wirft dem Berichterstatter einen Kuss zu. Eine wahre Königin gibt das Zepter niemals aus der Hand.

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