Künstlerin Marlene Dumas: Große Menschenbildnerin

Kunstpreis; Marlene Dumas erhielt den mit 55000 Euro dotierten Kunstpreis der Stadt Düsseldorf.

Düsseldorf. Marlene Dumas (54), eine der ganz großen Künstlerinnen ihrer Generation, nahm gestern aus der Hand von Oberbürgermeister Joachim Erwin den mit 55000 Euro dotierten Großen Kunstpreis Düsseldorf entgegen. Ein sympathischer, blonder Wuschelkopf mit kaum zu bändigenden Locken.

Die Tochter eines südafrikanischen Weinbauern und Schwester eines Priesters der protestantischen Kirche war 1974 zum Studium nach Europa gekommen und geblieben. Mit einer unglaublichen Offenheit pflegt sie ihre Umgebung zu betrachten. Sie ist keine Vorführ-Künstlerin, kein Star für eine Bambi-Schau, sondern ein Mensch, der spontan lachen kann und doch in seinen gemalten Gesichtern der Welt den Spiegel vorhält.

"Es ist erstaunlich, wie Marlene in ihren Figuren die großen Themen anschneidet, Rassismus, das Öffentliche und das Private, Liebe, Erotik, Sex und Tod, Beginn und Ende des menschlichen Lebens." Ulrich Loock, der dies im Gespräch mit unserer Zeitung bewundernd sagt, hielt im Robert-Schumann-Saal die Laudatio. Loock war Marlenes Wunschkandidat als Redner.

Was hat sie nicht alles mit den Gesichtern gemacht! Loock betonte in seinem Vortrag die Nähe von "Marlene" zum wirklichen Leben. Das war um 1990, als sie begann, keinesfalls selbstverständlich. Sie habe die Gesichter der Schwarzen 1991 und 1992 mit schwarzer Tusche gemalt, als die Apartheid in Afrika noch im Gange war. "Sie ist in der Lage, mit einer hohen politischen Wachheit die akuten Themen anzusprechen, ohne rechthaberisch zu sein."

Sie sei "immer selbst berührt, immer involviert und nie selbst unschuldig." In die Kunstgeschichte ist ihr Gruppenbild der eigenen Schulklasse in der Nähe von Kapstadt eingegangen, als sie die Gesichter blau, rot, grün und orange färbte. Loock sieht darin eine willkürliche Farbverteilung über die weißen Gesichter, aber auch einen subversiven Ton gegen jede Art von Rassismus.

Loock lobt ihre Fähigkeit, mit wenigen Pinselstrichen und kaum Farbe Fleisch und Geist von Körpern und Gesichtern gegenwärtig zu machen. Sie selbst nennt es den "Fluss des Malens", der sie interessiere. Die Flüssigkeit der Wasserfarbe ist etwas anderes als die Ölmalerei, bei der man immer einen Widerstand überwinden müsse.

Die große Menschenbildnerin schafft offene, sinnliche und doch rätselhafte und erschreckend schöne Motive. Sie sagt es so: "Ich bin interessiert an Individuen in der Gruppe, die stigmatisiert sind wegen ihrer Hautfarbe, ihres Geschlechtes."

Und dann sagt sie Erstaunliches: "Die Tradition aller Malerei in Europa hat eine christliche Basis. Als ich in Europa studierte, zählten Künstler wie Holbein und sein "Toter Christus" für mich zu den schönsten Gemälden. Die nackten, toten, leidenden Figuren haben ihren Ursprung in der christlichen Tradition, ob man glaubt oder nicht. Die nackte Frau und der leidende Mann sind Teil unserer aktuellen Welt."

Nicht pathetisch, sondern schlicht sagt sie dies. Ulrich Loock beschreibt ihre Kunst so: "Sie malt, wischt, schmiert, reibt, verbindet pastosen Farbauftrag mit frei verlaufender Farbe. Auf die Gefahr hin, missverstanden zu werden, spreche ich von malerischer Hilflosigkeit." Was so entsteht, wirkt melancholisch, fast flüchtig und - voller Geheimnis.

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