Klaus Maria Brandauer: „Auch ich habe Gedächtnislücken“

Klaus Maria Brandauer (69) spricht über seinen neuen Fernsehfilm zum Thema Alzheimer und die Macht der Liebe.

Berlin. Er gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Schauspieler unserer Zeit: Klaus Maria Brandauer glänzt seit Jahrzehnten auf der Bühne, im Kino und im Fernsehen. In Nikolaus Leytners TV-Drama „Die Auslöschung“ (heute 20.15 Uhr, ARD) spielt er einen Kunsthistoriker, der an Alzheimer erkrankt.

Herr Brandauer, was hat Sie an dem Film „Die Auslöschung“ gereizt?

Klaus Maria Brandauer: Die Liebesgeschichte, die sich zwischen dieser Figur und Judith entspinnt, die von Martina Gedeck gespielt wird. Liebesgeschichten interessieren mich besonders — entweder, weil sie gut ausgehen, oder weil sie nicht gut ausgehen, das spielt keine Rolle. Was kann einem schon etwas in die Jahre gekommenen Menschen wie diesem Witwer Ernst denn Schöneres passieren, als dass er sich nochmals verknallt oder sogar verliebt, wie sich dann herausstellt. Seine erwachsenen Kinder akzeptieren das, und es schaut nicht schlecht aus. Doch dann passiert das, womit ein Mensch auf seinem Weg von der Geburt zum Tod immer rechnen muss: Es ereilt ihn ein Schicksalsschlag, Ernst bekommt Alzheimer.

Das äußert sich bei ihm zuerst in Erinnerungslücken. Hatten Sie auch schon Gedächtnisprobleme?

Brandauer: Ich habe schon seit Jahrzehnten Gedächtnisprobleme. Manchmal merke ich mir einfach irgendwas nicht, und da habe ich mir schon oft gedacht: Was ist denn mit mir los, was wird denn aus mir werden? Aber das ist im Lauf der Jahre nicht schlimmer geworden. Nicht jede Erinnerungslücke führt zwangsläufig zu einer Krankheit.

Ernst denkt an Suizid. Wäre das ein Ausweg, mit dem Sie sich in solch einer Situation auch beschäftigen würden?

Brandauer: Das ist ein Thema, mit dem ich mich möglicherweise beschäftigen würde, und das ich vielleicht mit einem Freund oder mit meiner Frau besprechen würde. Und sonst mit niemandem, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Das ist meine Privatangelegenheit.

Der Film stellt auch die Frage, was einen Menschen ausmacht, der seine Erinnerung verloren hat.

Brandauer: Das ist immer noch ein Mensch. Ich gebe allerdings zu, dass man sich Gedanken darüber macht, was die Wissenschaft und die Medizin dazu sagen. Bei dieser Krankheit gibt es etwas, das als Gnadenpforte bezeichnet wird: der Moment, von dem man annimmt, dass ein Betroffener nicht einmal mehr weiß, dass er sich nicht mehr erinnern kann. Ich glaube, dass ein Mensch, solange er atmet, ein Mensch ist und mit unserer Hilfe sein Leben in Würde verbringen kann.

Welche Aussage hat der Film Ihrer Ansicht nach?

Brandauer: Genau genommen feiert der Film das Leben. Der Vorschlag, den wir den Zuschauern unterbreiten, lautet: Das Leben ist lebenswert, es ist schön, und natürlich kann unheimlich viel passieren, eben auch Schreckliches. Die Liebe, die Ernst und Judith erleben, macht ihr Leben lebenswert. Die Liebesgeschichte steht im Zentrum des Films. Lieben heißt, für einen Menschen auf der Welt zu sein. Nicht mehr und nicht weniger.

Sie werden bald 70. Hat das Altwerden auch Vorteile?

Brandauer: Überhaupt nicht. Außer, dass man eine Seniorenkarte bekommt und sonst noch ein paar Vergünstigungen. Man bildet sich ein, dass man ein bisschen anständiger behandelt wird, weil man schon ein alter Sack ist, aber das ist eine Täuschung. Ich versuche, mich mit jungen Menschen zu umgeben und das hält mich ein bisschen jung. Aber Vorteile hat das Altwerden wirklich nicht.

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