Katy Perry: Die sündige Pastorentochter

Katy Perry steht in den USA mit ihrem kontroversen Song „I Kissed a Girl“ seit Wochen auf Platz 1 der Single-Charts. Jetzt erobert die 23-Jährige Deutschland.

Düsseldorf. Der Vergleich, dem Katy Perry sich momentan immer wieder ausgesetzt sieht, kommt nicht von ungefähr. Auch Madonna begann ihre Karriere 1984 mit einem kalkulierten Skandal. "Like a Virgin" fiepte sie, erzählte von den Freuden jungfräulicher Berührungen und legte damit den Grundstein für ihre nicht enden wollende Regentschaft als Pop-Obermotz.

Wenn Katy Perry, unbeschwerte 23 Jahre jung, derzeit davon singt, ein Mädchen geküsst und das Ganze auch noch anregend gefunden zu haben, sind die Gemüter ähnlich erhitzt. Seit sechs Wochen belegt sie mit der Single "I Kissed a Girl" die Spitzenposition der US-Charts, was, wenn man den Song hört, mit Sicherheit nicht nur am gewagten Text, sondern auch an der eingängigen und originell arrangierten Melodie liegt.

Von Interesse ist allerdings in erster Linie die Kontroverse: Christliche Fundamentalisten wüten, konservative Radiosender verschließen sich der in Noten gegossenen sexuellen Experimentierfreudigkeit - was den Erfolg, wie so oft, eher noch befeuert, als ihn einzudämmen.

Doch nicht nur die allgemeine Empörung erinnert an Madonnas geschäftstüchtiges Skandal-Bewusstsein. Mit ihrem gewagten Look, irgendwo zwischen Vivienne-Westwood-Punk und 50er-Jahre-Pin-up, genießt Perry schon jetzt den Ruf einer Mode-Ikone. Und die geläufigen Pop-Posen, angefangen beim authentisch zutraulichen Schlabber-Girlie bis hin zur spielerisch verruchten Glamour-Queen, scheint die Kalifornierin aus dem Effeff zu beherrschen.

Selbst das, was unter der Oberfläche glimmt, ist bei beiden nahezu deckungsgleich. Madonna verteidigte ihren Feldzug gegen die Bigotterie immer gerne damit, dass sie als Kind unter der erzkatholischen Schuld-und-Sühne-Knute ihres Vaters gelitten habe. Perry wiederum wuchs als Pastorentochter auf, nahm mit 15 sogar ein Gospelalbum auf und avancierte damit unter Liebhabern christlich angehauchten Pops zum Kinderstar.

Damals bekam sie auf die bang gesungene Frage, ob sie gesündigt habe, noch die wuchtige Antwort des Background-Chors, sie müsse nur auf Gott vertrauen. Heute sündigt sie lieber ohne himmlischen Ablass, zumindest in ihren Texten, die genussvoll ausmalen, was denn nun genau am gleichgeschlechtlichen Küssen so attraktiv sein soll. "Ob ich damit Erfahrung habe? Darüber werde ich mich nicht äußern", antwortet Perry und lächelt dabei vieldeutig.

Wer jetzt denkt, Perry würde für ihre Musik die uneingeschränkte Unterstützung der amerikanischen Homosexuellen-Verbände erfahren, der irrt. Auch hier lösen Perrys Lippenbekenntnisse Kopfschütteln aus. Ihr Nummer-Eins-Erfolg würde gleichgeschlechtliche Liebe zur bloßen Laune banalisieren. Noch härter ins Gericht gehen die Aktivisten mit Perrys erstem Hit aus dem vergangenen Jahr, Titel: "UR So Gay", zu deutsch: "Du bist ziemlich schwul." Darin rechnet sie, wieder in expliziter Wortwahl, mit einem Ex-Freund ab. "Schwul" fungiert dabei als Schimpfwort.

Madonna hielt das nicht davon ab, in einem Radio-Interview zu bekennen, just diese Nummer auf ihrem iPod in Dauerschleife zu hören. Genau genommen leistete sie für den Jungstar Katy Perry Geburtshilfe. Danach schossen die Verkaufszahlen nach oben. Auch in Deutschland ist "I Kissed a Girl" mittlerweile ein Hit und wird in der kommenden Woche wohl von Null auf Eins schießen. Ihre Idole sind dabei klar definiert. Sie wolle gern genauso erfolgreich werden wie Queen. Von Madonna kein Wort.

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