Karneval: Mario Adorf gegen den tierischen Ernst - volksnah bis der Bauch wehtut

Zu den Enttäuschungen gehörte sicher die Laudatorin Gloria Fürstin von Thurn und Taxis. Die Aufzeichnung der Veranstaltung strahlt die ARD an diesem Montag aus und damit zum ersten Mal nicht an einem Sonntag.

Aachen. Mit Mario Adorf erhielt am Samstag zum ersten Mal ein Schauspieler den Karnevalsorden wider den tierischen Ernst. „Mario Adorf ist der erfolgreichste Schauspieler in Deutschland,die Nummer eins. Sie haben Persönlichkeit, Glaubwürdigkeit, Charme,ganz viel Humor und ganz viel Witz“, sagte der Präsident des AachenerKarnevalsvereins, Horst Wollgarten.

Adorf unterbrach ihn im imitiertenTonfall des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki: „Ich habe mir denKäfig voller Narren drei Stunden lang angesehen und ich lehne diesenPreis nicht ab“, sagte er unter dem Beifall der Zuschauer im AachenerEurogress.

Der Ordensritter widerden tierischen Ernst kam singend auf die Bühne. Mario Adorf schmettertedas italienische Volkslied „Funiculi Funicula“ aus voller Seele, mitsichtlicher Freude. Die „piekfeine Jesellschaft“ der karnevalistischenFestsitzung umjubelte den Tenor wie einen Opernstar.

Adorfs Augenlachten, auf seinem Gesicht sprossen die Lachfältchen. Das gefiel ihm.Als erster Schauspieler erhielt Adorf am Samstag in Aachen den Ordenwider den tierischen Ernst für Humor und Menschlichkeit.

Die Hauptrolle in einer Karnevalssitzung, das war auch für den großenAdorf neu. Lampenfieber hatte er - und wohl auch die Aachener. Diehatten ihre Kandidaten bisher gerne in der Politikerriege gesucht.

Ersei nur Ersatzmann, sprach Adorf in seiner Antrittsrede ungeniert dasan, was der AKV bei seiner Rittersuche transportiert hatte: „In diesemWahljahr wollte sich ja keiner von unseren namhaften Politikern fürHumor hier auszeichnen lassen. Und das versteh ich auch sehr gut. DenHumor, den brauchen die dringend für nach der Wahl“, sagte Adorf.

Er war das unbestrittene Highlight. Daneben gab es andere Nummern, beidenen der Andrang draußen auf den Toiletten groß war. Zu denEnttäuschungen gehörte sicher die Laudatorin Gloria Fürstin von Thurnund Taxis. Sie hatte durch ihre mitreißende Ritterinnenrede imvergangenen Jahr hohe Erwartungen geweckt.

Für den Aachener Karnevalsverein (AKV) war Adorf ein absoluterGlücksfall. Der Verein verhandelt in diesem Jahr mit der ARD über dieFernsehübertragung. Nach einer richtig gepatzten Sitzung und Quotentiefhat sich der Orden zwar etwas erholt, aber die Verhandlungsposition warbis dahin nicht gerade komfortabel.

Die ARD überträgt die Aufzeichnungder Verleihung an Adorf an diesem Montag und nicht wie gewohnt amSonntag. Adorf hielt die wohl ungewöhnlichste Ritterrede in der59-jährigen Ordensgeschichte.

Er knüpfte an Helmut Dietls Serie „Kir Royal“ an, in dem er selbst denprovinziellen Klebstoffproduzenten Haffenloher spielte. In diese Rolleschlüpfte Adorf wieder: Die Hose etwas zu blau, das Sakko etwas zugestreift. „Un jetz bin isch Generaldirektor a.D.. Jetzt hats sichsaujeklebt.“ Im breiten Rheinisch verteilte er Seitenhiebe auf Politikund Wirtschaft. Aachen klassisch eben.

Dann kam Adorf spezial: Er trat bewusst auf die Spaß-Bremse, undgedachte des Vollblut-Komödianten Willi Millowitsch zu dessen 100.Geburtstag. In astreinem Kölsch zitierte Adorf ein „kleines Jedicht,dat mir der Willy persönlich beijebracht hat“. Er konnte damit zuTränen rühren. Und danach gab er richtig Gas, volkstümlich. Dentraditionellen, elitär anmutenden Aachener Narrenkäfig hatte erverschmäht.

Er rief nach der Bütt, tauchte dahinter kurz ab und als Heini mitblauem Käppi, roter Knollennase und kariertem Westchen wieder auf. „Undheute Abend wollen wir uns nur noch amüsieren, einfach mal wieder dieSau rauslassen“, sagte er dabei. Hatte die „piekfeine Jesellschaft“vorher über seine Pointen schon gut gelacht, hielt sich manch eineranschließend bei seinen Geschichten aus dem Leben den Bauch vor Lachen.

Adorf kompensierte Schwächen der Sitzung. Und sie vergaben ihm dafüralles - fast alles. Bis auf die große Schauspieler-Sünde als GangsterSanter in Winnetou I. „Dass Sie damals die kleine Schwester vonWinnetou Nscho-tschi erschossen haben, das war 'ne Sauerei“, sprachOberbürgermeister Jürgen Linden dem Volk aus der Seele.

Es war die Sitzung zum 150. Bestehen des AachenerKarnevalsvereins, der den Orden verleiht. Die Aufzeichnung strahlt dieARD an diesem Montag aus und damit zum ersten Mal nicht an einemSonntag. Danach wird neu über einen Vertrag mit der ARD verhandelt.

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