Jürgen Becker besitzt 200 Schrittmacher: Sammeln im Takt des Herzens

Jürgen Becker besitzt 200 Schrittmacher — der ehemalige Medizin-Techniker bewahrt die Geräte vor dem Sondermüll.

Berlin. Jürgen Beckers größter Stolz als passionierter Sammler ist eine Schuhcremedose. Nicht irgendeine Dose, sondern die ungewöhnliche Hülle der ersten Herzschrittmacher aus den 50er Jahren.

Der Berliner Pensionär Becker hat ein nicht gerade alltägliches Hobby: Er sammelt Herzschrittmacher wie andere Menschen seltene Briefmarken. 200 kleine Geräte hütet er zu Hause. Mehrere hundert weitere hat er aus Platzgründen schon an Museen abgegeben. Becker ist 71. Schrittmacher faszinieren ihn — auch wenn er selbst topfit ist.

Am Anfang ging es wirklich um eine Schuhcremedose. In ihr verstauten 1958 ein schwedischer Arzt und ein Ingenieur die Bauteile für den ersten Herzschrittmacher der Welt.

Was als Notlösung für einen Patienten mit Herzrhythmusstörungen gedacht war, hat sich seitdem zum Lebensretter für Millionen entwickelt. Die kleinsten Geräte sind nur so groß wie eine Zwei-Euro-Münze und ticken wie ein Mini-Computer.

Diese rasante Entwicklung hat Jürgen Becker durch sein Berufsleben begleitet: Er war Medizintechniker mit Leidenschaft. Seit seinen Lehrjahren beschäftigt er sich mit den Taktgebern fürs Herz, später auch als Berater für Mediziner.

„Immer wieder drückten mir Ärzte ausrangierte Schrittmacher in die Hand“, erinnert er sich. Viele Geräte behielt er und bewahrte sie so vor der Entsorgung als Sondermüll. Auf das Dosen-Modell aus der ersten Serie ist er besonders stolz. „Damals hielten die Batterien nur Stunden und mussten von außen mit einer Induktionsspule aufgeladen werden“, sagt Becker.

Im Oktober 1958 war es eine Sensation, als die Schweden den ersten Schrittmacher testeten. Seitdem hat sich viel getan. Der erste Schrittmacher arbeitete noch starr wie ein Metronom. Heutige Geräte können sich auf den Kreislauf der Herzkranken einstellen.

Das Prinzip blieb aber gleich: Wie eine kleine Maschine treibt der Schrittmacher das Herz durch elektrische Impulse an. Unterhalb des Schlüsselbeins werden isolierte Drähte über ein Brustgefäß zum Herzen durchgesteckt und im Herzmuskel verankert.

Damit kann der Apparat zum Lebensretter werden. Wenn das Herz zu langsam schlägt oder Pausen macht, kann es ohne technische Hilfe zu Schwindelanfällen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Im schlimmsten Fall droht ein Herzstillstand, der ohne Notarzt zum Tod führen kann.

Nach Angaben des Bundesverbandes Medizintechnologie erhalten in Deutschland jedes Jahr 100 000 Menschen einen Schrittmacher. Die kleine Operation ist bereits ambulant möglich. Zu sehen ist vom Schrittmacher meist nur eine kleine Hautbeule.

Wie ein Schrittmacher technisch ganz genau funktioniert, zeigt Jürgen Becker gern. Er besitzt Prototypen, Test-Apparate und Präsentationsgeräte vieler Generationen in Hülle und Fülle. Heute ist er ein Fan moderner Lithium-Ionen-Batterien, die Schrittmachern eine „Lebensdauer“ von mehr als zehn Jahren ermöglichen.

Die ersten Apparate in der Schuhcremedose hielten nur wenige Tage durch. Doch der erste Träger, der Schwede Arni Larsson, glaubte unerschütterlich an diese Technik. Larssons Geschichte erzählt Becker besonders gern ausführlich: Der Herzpatient ließ sich in seinem Leben insgesamt 22 Schrittmacher einsetzen und starb erst im Jahre 2002 — im Alter von 86 Jahren. Er überlebte seinen ersten Schrittmacher-Arzt locker um zwei Jahre.

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