Interview: Was macht einen Popstar aus?

Nachdenkliches vom Spaßpunker: Farin Urlaub über Radiogedudel und die Jugend von heute.

"Die Wahrheit übers Lügen" ist Ihr erstes Album mit dem gesamten zwölfköpfigen Farin Urlaub Racing Team. Fühlen Sie sich wohler innerhalb eines festen Band-Gefüges?

Urlaub: Ich habe zwei Soloalben gemacht. Beim ersten gab es gar keine Band, beim zweiten Mal war sie noch nicht so weit. Jetzt wäre es ein Kampf gegen Windmühlen geworden, hätte ich sie weggelassen.

Urlaub: Das kommt drauf an. Ich schlüpfe auch gern mal für einen Text in jemand anderes. Dann kann ich Meinungen äußern, die ich nicht selber vertrete und mir dadurch den Zorn des Hörers zuziehen. Bei den Ärzten habe ich mal ein Lied über Leute gemacht, die Anti-Personenminen verkaufen. Ich nehme dabei die Sicht dieser Leute ein, weil das effektiver ist als sie anzuprangern - auf die Gefahr hin, dass man das Lied falsch versteht.

Urlaub: Ich kenne ganz viele solcher Leute. Die stehen jeden Tag an derselben Imbissbude und sagen: "Nächstes Jahr mache ich die ganz große Nummer und gehe in die Staaten." Aber die werden auch in fünf Jahren noch da stehen. Ich finde es schön, mir das anzugucken. Außerdem ist es ein Lied über Revolution und was alles passieren könnte - aber nicht jetzt.

Urlaub: Ich brauchte dafür keinen äußeren Antrieb. Ich hatte schon immer den Wunsch, ganz viel machen und erleben zu wollen. Jetzt habe ich halt das Glück, in einer schönen Position dafür zu sein.

Urlaub: Ich bin viel außerhalb von Deutschland unterwegs, wo sich das Problem einfach nicht mehr stellt. Aber selbst in Deutschland ist unter denjenigen, die ich kennenlerne, nur ein verschwindend geringer Prozentsatz, der meinetwegen aufgeregt ist.

Urlaub: Ich kenne wirklich niemanden mehr, der gerne Radio hört oder die Playlisten-Automatik der Sender verteidigt. Warum gibt es diese Sender überhaupt, wenn sie doch immer wieder dieselbe Weichspülmusik spielen? In den Charts findet man jedenfalls eine größere Vielfalt als im Radio. Ich will Musik im Radio hören, die für mein Leben relevant ist und die man nicht für Waschmittel-Werbung benutzt.

Urlaub: Ich weiß aus Mails und Gesprächen, was ein paar von den Leuten bewegt, die unsere Musik mögen. Das macht mich aber noch lange nicht zu einem Sprachrohr von irgendwas. Ich bin viel älter und habe andere Vorstellungen, Sorgen, Nöte und Freuden als die meisten jungen Leute. Ich schreibe keine Lieder, um deren Soziolekt zu bedienen. Manchmal kriege ich Mails wie "Musst du in deinen Interviews immer so viele Fremdwörter benutzen?" Das sind für mich aber gar keine.

Urlaub: Wen interessiert das denn? Würden die Leute wirklich denken, dass deutschen Künstlern etwas fehlt, würden sie deren Platten doch nicht kaufen. Einen deutschen Sänger, der sich gerierte wie Bono, fänden alle peinlich. Und wenn es denn sein muss, habe ich keine Probleme, mich mit jedem Weltstar in Sachen Arroganz zu messen. Oje, gedruckt kommt dieser Satz bestimmt total unsympathisch rüber.

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