Herzkranke Marathon-Läuferin: Schwache Pumpe, starker Wille

Das Herz von Gritt Liebing (47) ist auf Hilfe angewiesen. Trotzdem läuft sie am Sonntag beim Marathon in Düsseldorf.

Düsseldorf. Auf ihren Körper konnte sich Gritt Liebing immer verlassen. Sport ist ihr Leben, der Langstreckenlauf ihre Leidenschaft. Doch vor etwa 13 Jahren ist es ihr Herz, das zwischen dem regelmäßigen Lauftraining plötzlich aus dem Takt gerät.

„Ich bin andauernd umgekippt, aber die Ärzte waren anfangs ratlos“, erzählt die 47-Jährige. „Ständig hatte ich blutige Knie, mehrmals eine gebrochene Nase.“ Die Ärzte stellen einen Gendefekt bei der Sportlerin fest. Bei einem Langzeit-EKG wird minutenlanges Kammerflimmern aufgezeichnet — der Grund für ihre Stürze.

Das Kammerflimmern bezeichnet eine lebensbedrohliche Herzrythmusstörung, bei der in den Herzkammern ungeordnete Erregungen ablaufen und der Herzmuskel sich nicht mehr geordnet zusammenziehen kann. „Ich kann froh sein, dass ich das überhaupt überlebt habe“, sagt die Sportlerin heute.

Liebing wird ein Defibrillator implantiert. Der verhindert den plötzlichen Herztod, indem er bei Kammerflimmern elektrische Energie von bis zu 40 Joule abgibt. Nicht größer als eine Streichholzschachtel ist diese kleine Maschine, an der ihr Leben dauerhaft hängen wird.

Trotz dieses Handicaps hat Liebing ihre Laufschuhe nicht weggeschmissen. Im Gegenteil, sie trainiert weiter. Am Sonntag wird sie beim Düsseldorfer Marathon an den Start gehen — und ins Ziel laufen. Das hat sie sich vorgenommen.

Ihren Optimismus und die Freude am Laufen hat die 47-Jährige nie verloren. Mittlerweile hat die Sportlerin sieben Marathonläufe, einen Ironman (Triathlon über Langdistanz) und den Transalpine-Lauf beendet, bei dem innerhalb von acht Tagen 15 000 Höhenmeter und 260 Kilometer bewältigt werden.

„Wir sind immer eine sehr aktive Familie gewesen. Mein Vater läuft in diesem Jahr mit seinen 78 Jahren einen halben und einen kompletten Ironman. Außerdem sind wir immer viel wandern, Fahrrad fahren oder schwimmen gewesen.“

Durch die vielen Reanimationen nimmt ihre Leistungsfähigkeit zwar langsam ab, aufgeben wird sie deswegen aber nicht. Nur an einem Triathlon oder Ironman wird sie nicht mehr teilnehmen. „Bekomme ich während des Laufens oder Fahrradfahrens Herzflimmern, bekomme ich nur blutige Knie. Im Wasser würde ich dabei sofort ertrinken.“

Mehr als 300 Mal versetzte der Defibrillator ihrem Herz bislang Stöße. „In manchen Phasen passiert das jeden Tag, manchmal sogar mehrmals täglich. Es hat aber auch schon Phasen gegeben, in denen ich mehrere Monate komplett ohne ausgekommen bin“, sagt Liebing.

Mit Begeisterung spricht sie von dem Gerät, das regelmäßig ihr Leben rettet. „Wenn ich das Gerät nicht hätte, wäre ich schon lange tot“, ist sie sich bewusst. Einschränken lässt sie sich deswegen aber kaum. „Einmal musste der Defibrillator etwa 40 Minuten vor dem Start eines Laufs einsetzen. Gestartet bin ich trotzdem.“

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